Glückliche Radieschen in der Saure-Gurken-Zeit

Radieschen
Foto: Getty Images/iStockphoto/mythja
Radieschen von glücklichen Böden.
Glückliche Radieschen in der Saure-Gurken-Zeit
Der evangelische Kirchentag im kommenden Jahr in Berlin will seine Helfer und Gäste fair, bio, regional und vor allem ausreichend verpflegen. Deshalb werden in Brandenburg Bauernhöfe gesucht, die die Nahrungsmittel liefern können.
23.10.2016
epd
Yvonne Jennerjahn

Die Milchkühe im Stall kauen gemächlich ihr Futter, ein paar Rinder ruhen sich im Liegebereich aus. Im Ökodorf Brodowin im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin können sich die Kühe frei im geräumigen Stall bewegen, anders als in vielen konventionellen Großbetrieben. Der Brodowiner Biobetrieb, der nach strengen Demeter-Regeln arbeitet, entstand 1991 aus zwei früheren LPGs der DDR. Heute verkauft er Milchprodukte, Eier, Fleisch und je nach Saison auch Gemüse.

Solche Lebensmittel sucht das Kirchentagsteam für den 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag, der vom 24. bis 28. Mai in Berlin, Potsdam und Wittenberg stattfindet. Rund 140.000 Teilnehmer werden dort erwartet und rund 5.000 Helfer. Einen Naturkostmarkt mit Bio-Streetfood soll es dort für die Gäste auf dem Berliner Messegelände geben und ein vegetarisches "Gläsernes Restaurant", das 1.000 Mahlzeiten am Tag anbietet.

Regionale Produkte in großen Mengen

"Wir möchten einen größtmöglichen Einsatz nachhaltiger Produkte", sagt Karin Terodde vom Verpflegungsteam. "Der Kirchentag isst grün und fair", hat das Präsidium vor einigen Jahren beschlossen. Klimafreundliches Essen soll es deshalb dort geben. "Wir möchten im Sinne der Bewahrung der Schöpfung nicht nur auf Podien diskutieren, sondern es selbst umsetzen", betont Terodde.

Die Bewirtung der 5.000 ehrenamtlichen Kirchentagshelfer übernimmt Capital Catering, eine Tochtergesellschaft der landeseigenen Messe Berlin GmbH. Dort waren keine großen Überredungskünste nötig, denn Küchenchef Andreas Flechtner bietet auf Wunsch von Ausstellern und Veranstaltern bereits Bioessen an. "Das Problem sind die Mengen", sagt Flechtner. Ein Buffet mit Öko-Gemüse und Bio-Fleisch für 60 Personen sei einfach, betont der Küchenchef. Das gleiche Programm für 1.800 Leute sei schon weit komplizierter. Dann seien die Produkte kurzfristig oft nicht regional zu bekommen. "Ich werde doch meine Herde nicht für dich schlachten, sagt dann der Produzent", erzählt Flechtner.

Es geht nicht ohne Fleisch

Nicht weit entfernt vom Ökodorf Brodowin guckt Martina Bressel auf ihrem Hof Schwalbennest nachdenklich in die Runde. "Der Mai ist natürlich ein schwieriger Monat", sagt sie beim Besuch des Kirchentagsteams: "Das ist ein bisschen sportlich, für die regionalen Gemüsebetriebe ist das so ein bisschen die Saure-Gurken-Zeit." Seit 2003 bewirtschaftet sie den Biohof, auch ein Demeter-Betrieb. Die ersten Salate gibt es im Mai, Radieschen, Rhabarber, Mangold, Kräuter, vielleicht sind noch Rote Bete da, zählt sie auf. "Mit Mangold könnte man doch was machen", sagt Flechtner.

Ganz ohne Fleisch geht es bei der Helferverpflegung nicht. Bei den Frauen sei das zwar machbar, sagt Michael Thun, der den Kirchentag berät: "Die wollen keine Leichen haben." Bei den Männern, den Feuerwehrleuten, Sanitätern und Pfadfindern, sei das nicht so einfach. Der Männer wegen greift er deshalb zu Tricks. "Wir haben denen ein Salatbuffet in den Weg gestellt", erzählt er über eine Veranstaltung: "Wer Hunger hatte, hat dann gleich beim Salat zugeschlagen." Und weniger Fleisch gegessen.

Und es gibt eine weitere Herausforderung: denn nicht alle Lebensmittel werden auch regional verarbeitet. "Wir haben in Brandenburg ein großes Problem mit der Weiterverarbeitung", sagt Gerald Köhler von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau. Bio-Kartoffeln würden deshalb zum Schälen auch weit transportiert und dann vakuumverpackt wieder zurückgebracht, weil Großabnehmer aus Kostengründen nicht selber schälen. Wirklich regional sind die Kartoffeln dann wegen der langen Transportwege nicht mehr und klimafreundlich schon gar nicht.

Was machbar ist, wird sich in den kommenden Wochen entscheiden. "Jetzt gucken wir, was geht, und stellen dann die Speisepläne auf", sagt Flechtner. Dann gehen die richtigen Verhandlungen los. Dass beim Kirchentag nicht alles bio sein wird, steht jetzt schon fest. "Wir möchten kleinbäuerliche Betriebe unterstützen", betont Terodde: "Deshalb möchten wir auch kleine konventionelle Betriebe nicht ausschließen."