Nach Engagement für Flüchtlingsheim: Bürgermeister niedergeschlagen

Nach Engagement für Flüchtlingsheim: Bürgermeister niedergeschlagen
In Schleswig-Holstein hat ein Unbekannter einen Bürgermeister niedergeschlagen, der sich für die Unterbringung von Flüchtlingen eingesetzt hatte. Die Polizei vermutet einen fremdenfeindlichen Hintergrund, schließt andere Motive aber nicht aus.

Kiel (epd). Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD) verurteilte den Angriff vom Donnerstagabend in der Gemeinde Oersdorf. Gemeindevertreter müssten ohne Angst arbeiten können, sagte er bei einem Treffen mit Kommunalpolitikern am Freitag. Besorgt äußerte sich auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund.

Der Oersdorfer Bürgermeister Joachim Kebschul (61) hatte sich in der Vergangenheit für eine Flüchtlingsunterkunft in der Gemeinde eingesetzt. Die Polizei ermittele bereits seit Juli, weil der parteilose Politiker Drohbriefe erhalten habe, sagte ein Polizeisprecher in Kiel. Auch am Donnerstag seien zwei Drohbriefe an die Gemeinde und an ihn persönlich eingegangen.

Schlag gegen den Kopf

Der Bürgermeister war nach Polizeiangaben kurz vor der Sitzung des Bauausschusses gegen 19 Uhr noch einmal zu seinem Auto gegangen, um einen Laptop zu holen. Als er sich in seinen Wagen beugte, wurde er von einem Unbekannten angesprochen und kurz darauf mit einem Schlag gegen den Kopf verletzt. Er wurde von einem Notarzt versorgt und ins Krankenhaus gebracht. Noch am Abend vernahm die Kripo den Verletzten. Der Staatsschutz in Kiel hat die Ermittlungen aufgenommen.

Aufgrund der Drohbriefe hatte die Polizei mit sechs Beamten die Ausschusssitzung rund um das Gemeindehaus gesichert und unter anderem Taschen kontrolliert. Der Bürgermeister habe allerdings außerhalb des Sichtbereiches der eingesetzten Beamten geparkt, hieß es. Oersdorf hat rund 900 Einwohner und liegt 20 Kilometer nördlich der Hamburger Stadtgrenze.

"Hasswelle gegen Kommunalpolitiker"

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, verurteilte den Angriff als "Tiefpunkt der beispiellosen Hasswelle gegen Kommunalpolitiker". Das Bundeskriminalamt habe allein im ersten Quartal 115 Straftaten gegen Kommunalpolitiker festgestellt, sagte Landsberg im Sender SWRinfo. Die Politik müsse handeln, "denn sonst wird irgendwann der Punkt kommen, wo die Leute sich nicht mehr trauen, ihr freies Mandat auszuüben". Das Thema müsse auf die Tagesordnung der nächsten Innenministerkonferenz von Bund und Ländern.

CDU-Landeschef Ingbert Liebing nannte den Vorfall einen Angriff auf die freiheitliche Gesellschaft, der alle treffe, die in Dörfern und Städten Verantwortung tragen. Es dürfe nicht hingenommen werden, dass Amtsträger, die ihre humanitäre Verantwortung ernst nehmen, durch Drohungen und Gewalt unter Druck gesetzt werden, ergänzte SPD-Landeschef Ralf Stegner.