Kind mit drei Elternteilen: Deutsche Experten warnen vor Risiken

Kind mit drei Elternteilen: Deutsche Experten warnen vor Risiken
Ein Kind mit drei Elternteilen: Was wie Science Fiction klingt, ist in Mexiko offenbar wahr geworden. Um eine Krankheit zu vermeiden, wurden Eizellen von zwei Frauen kombiniert. Das wirft ethische Fragen auf. Deutsche Experten warnen vor Risiken.

Berlin (epd). Die Geburt eines Kindes mit dem Genmaterial von drei Elternteilen ist bei deutschen Experten auf Bedenken gestoßen. "Die ethische Bewertung hängt davon ab, ob man den Eingriff als Keimbahnintervention oder Organspende sieht", sagte der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er warnte, die Risiken seien nicht ausreichend erforscht. Der Genetiker Wolfram Henn betonte, in Deutschland sei solch ein Eingriff aus guten Gründen nicht erlaubt - zumindest noch nicht.

In Mexiko ist laut einem Bericht der Zeitschrift "New Scientist" erstmals mithilfe einer neuen Technik ein Kind geboren worden, das die DNA dreier Menschen in sich trägt. Ziel war es, eine seltene Erbkrankheit zu vermeiden, die sich im Erbgut der Mutter, genauer gesagt in den Mitochondrien der Zellhülle, fand. Die Hülle ist das Kraftwerk der Zelle, die wesentlichen Erbinformationen, darunter Charakteristika eines Menschen, sind im Zellkern gespeichert.

Kind in Mexiko entstand aus Eizellen von zwei Müttern

In Mexiko übertrug ein US-amerikanischer Mediziner den Kern einer Eizelle der Mutter in die Hülle mit unbelasteten Mitochondrien der Eizelle einer anderen Frau. Die so entstandene Zelle zweier Mütter wurde dann mit dem Sperma des Vaters befruchtet. Das so entstandene Kind ist dem Bericht zufolge bereits im April zur Welt gekommen.

Die Mitochondrien seien quasi nur das "Energiesystem" der Zelle, erklärte Dabrock. Daher stelle sich eben die Frage, ob es sich um einen Eingriff in die menschliche Keimbahn - das Erbgut - handelt oder eine besondere Art von Organspende. Dabrock gab aber zu bedenken: "Bei Forschern ist strittig, wie stark die Interaktion zwischen Zellkern und Mitochondrien ist."

Nebenwirkungen wahrscheinlich

Dass die Mitochondrien einen Effekt auf die Entwicklung dieses Menschen haben, sehe man an den Krankheiten. "Wenn sie diesen Effekt nicht hätten, wären die Menschen nicht krank", sagte der Ethikratsvorsitzende. Es stelle sich die Frage, ob die Risiken dieser Technologie hinreichend erforscht sind. "Mein Eindruck ist, man macht hier eine Therapie mit einer sehr hohen Nebenwirkungswahrscheinlichkeit", sagte Dabrock.

Technik aus dem Bereich des Klonens

Wolfram Henn vom Institut für Humangenetik am Universitätsklinikum in Homburg ist ebenfalls skeptisch. Es sei eine Technik aus dem Bereich des Klonens, bei der es in Säugetierversuchen bereits einiges an Forschung gegeben habe, sagte er. Wie sicher das Verfahren beim Menschen ist, sei aber umstritten. "Mediziner in Deutschland sind sich schon eher einig, dass diese Anwendung in Mexiko ziemlich voreilig gewesen ist", sagte Henn, der ebenfalls Mitglied im Deutschen Ethikrat ist.

In Deutschland ist eine Eizellspende verboten

Er unterstrich, dass das Verfahren in Deutschland nicht möglich wäre, weil das Embryonenschutzgesetz eine Eizellspende, die Voraussetzung dafür wäre, verbietet. "Zudem handelt es sich um einen ebenfalls verbotenen Eingriff in die Keimbahn, weil die Veränderung weitervererbt wird", erklärte er. Henn warnte ebenso wie Dabrock vor nicht absehbaren Folgen des Eingriffs durch die Interaktion zwischen den Zellteilen. Zwar enthielten die Mitochondrien keine persönlichkeitsrelevanten Gene. "Ein Teil der mitochondrialen Gene ist aber über die Jahrmillionen über den Zellkern auch in die Chromosomen abgewandert", erklärte er. Man dürfe zweifeln, ob ein Eingriff vor dem Hintergrund dieser Interaktion so reibungslos verläuft.

Verfahren könnte bei ausreichender Sicherheit Erbkrankheiten vermeiden helfen

Dennoch stellte er infrage, ob das Verfahren auf lange Sicht verboten bleiben muss. Momentan sei es das aus "guten, auch wissenschaftlichen Gründen". "Wenn aber eine Sicherheit besteht, dass aus einem solchen Verfahren ein Kind hervorgeht, das eine schwere Krankheit nicht bekommt ohne dass in die persönlichkeitsrelevanten Gene eingegriffen wird, könnte dieses Urteil anders ausfallen", sagte er. Gebraucht werde eine vorbehaltlose Prüfung, eine gesellschaftliche Debatte und ein klarer rechtlicher Rahmen. "Regeln kann das letztlich nur der Gesetzgeber", sagte er.