TV-Tipp: "Tatort: Freitod" (ARD)

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TV-Tipp: "Tatort: Freitod" (ARD)
18.9., ARD, 20.15 Uhr: "Tatort: Freitod"
Zum Glück verzichtet das Drehbuch auf juristische Details und die Unterschiede zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe. Trotzdem lässt es sich natürlich nicht vermeiden, Pro und Contra abzuwägen.

Der "Tatort" ist bekannt dafür, immer wieder mal Themen zu behandeln, die von großer Relevanz sind. Waffenhandel, Zwangsprostitution, Kindesmissbrauch, Massentierhaltung: Das Spektrum ist riesig. Das Schweizer Fernsehen fügt ihm mit "Freitod" einen weiteren Aspekt hinzu. Zum Glück verzichtet das Drehbuch auf juristische Details und die Unterschiede zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe. Trotzdem lässt es sich natürlich nicht vermeiden, Pro und Contra abzuwägen. In den Krimis aus Köln hätte dies garantiert zu einem entsprechenden Streit zwischen den beiden Kommissaren geführt (mutmaßlich während einer Autofahrt). Die Autorinnen Josy Meier und Eveline Stähelin haben einen anderen Weg gefunden. Der ist zwar auch nicht eleganter, aber immerhin Teil der Krimihandlung: Sie lassen die Vertreter des Sterbehilfevereins Transitus und ihre Gegenspieler von Pro Vita direkt aufeinanderprallen. Als eine Mitarbeiterin von Transitus ermordet wird, fällt der Verdacht unter anderem auf den charismatischen Pro-Vita-Chef Thommen (Martin Rapold), denn der Lebensschützer und Moralapostel nimmt es mit seinen Prinzipien nicht ganz so genau, wenn er selbst betroffen ist: Der verheiratete Mann organisiert zwar Proteste gegen die Sterbehilfe, hat aber keine Skrupel, seine Sekretärin zu schwängern und sodann zur Abtreibung zu nötigen; die Frau hatte dem Opfer, einer Familienberaterin, ihr Herz ausgeschüttet. Auch sonst ist Thommen in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich, um den Transitus-Mitgliedern das Leben schwer zu machen. Dass es den Autorinnen trotzdem gelingt, mit dem Mann nicht gleichzeitig auch seine Argumente zu diskreditieren, ist eine gelungene Gratwanderung.

Wichtigster Mordverdächtiger ist ohnehin ein ganz anderer, und der steht in direktem Zusammenhang zum Filmbeginn. Fast dokumentarisch zeigt die Schweizer Regisseurin Sabine Buss, die im deutschen Fernsehen erstmals 2014 mit dem Thrillerdrama "Stärke 6" auf sich aufmerksam gemacht hat, wie eine Beihilfe zur Selbsttötung abläuft: Gisela Aichinger (Barbara Magdalena Ahren) ist aus Köln angereist, um sich in Luzern mit Hilfe eines tödlich wirkenden Medikaments das Leben zu nehmen. Ihr Sohn Martin (Martin Butzke) kommt zu spät, um den Freitod zu verhindern. Der Mann ist offenbar geistig verwirrt, er randaliert, bedroht die Sterbebegleiter und prophezeit, ägyptische Plagen würden die Beteiligten heimsuchen. Tatsächlich finden sich später eindeutige Indizien unter seinen Habseligkeiten, die er in diversen Plastiktüten mit sich herumträgt. Die Wahrheit jedoch ist eine ganz andere; und sie bewegt sich in einer Dimension von erschütternden Ausmaßen.

Das Thema ist viel zu ernst, um daraus einen spekulativen Krimi zu machen. Das prägt auch die Umsetzung: die Bilder sind eher dunkel und betont unbunt, die Inszenierung ist konzentriert, aber ruhig; hektische Szenen verbieten sich quasi von selbst. Trotzdem gibt es einige Momente großer Spannung, wenn sich beispielsweise Martin Aichinger in die Wohnung der hübschen jungen Sterbebegleiterin Nadine (Anna Schinz) schleicht, obwohl ein Polizist nach dem Rechten schaut. Raffiniert ist auch Spiegeleinstellung, die die Ausweglosigkeit eines weiteren Opfers verdeutlicht. Ansonsten aber sorgt vor allem die vorzügliche Thrillermusik von Fabian Römer dafür, dass "Freitod" ein fesselnder Krimi ist, der dennoch sensibel mit seinem Thema umgeht. Der gelungene Schluss ist allerdings ziemlich makaber.