Washington Junior Costa: "Am Ende tun alle so, als wären Probleme nie da gewesen"

Washington Junior Costa
Foto: Isabela Pacini
Washington Junior Costa
Washington Junior Costa: "Am Ende tun alle so, als wären Probleme nie da gewesen"
Olympia 2016 - Eindrücke aus Rio
Zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014 hatten wir Menschen in Brasilien gefragt, wie es ihnen mit der Großveranstaltung geht. Sie erzählten von Armut, Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung. Zwei Jahre später, zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016, hat die Fotografin Isabela Pacini einige von ihnen wiedergetroffen. Der Jurist Washington Junior Costa sieht einen Zusammenhang zwischen sozialen und Sicherheitsproblemen.

Washington ist in der Favela da Providência, der ältesten Favela Rio de Janeiros, geboren und aufgewachsen. Ist das Leben in den Favelas sicherer geworden? Die Regierung - so nimmt es Washington wahr - versucht seit der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 im Ausland das Image zu verkaufen, dass sich etwas tut. Bilder gehen um die Welt, aufi denen Touristen zum ersten Mal eine Favela besichtigen, ohne einem bewaffneten Drogenboss zu begegnen. "Aber sie sind noch da und verkaufen weiter. Es ist nur undurchsichtiger geworden", erklärte Washington schon vor zwei Jahren.

"Es hat sich seitdem auch nicht viel verändert", sagt er heute. Zwar spürt Washington überall die Erwartung, dass ein sogenanntes "Vermächtnis" hinterlassen werden solle, so wie es in Südafrika nach der Fußall-Weltmeisterschaft der Fall war. "Bloß unsere Infrastruktur hat sich nicht wirklich verändert", sagt der 29-jährige Jurist, der als Assistent von Politikern arbeitet. Washington muss oft zwischen Beamten und Favela-Bewohnern vermitteln. Er sagt, dass sich die Sicherheitsprobleme in der Stadt seit der WM sehr verschlechtert haben. Das hochgelobte Projekt mit der Friedenspolizei UPP wurde mittendrin einfach gestoppt. "Ich sagte schon vor zwei Jahren, dass die UPP von sozialen Projekten begleitet werden muss und nicht lediglich ein überdimensionaler Polizeieinsatz sein darf."

Das Problem der Sicherheit in Rio sei ein komplexer Teufelskreis, erklärt Washington: Es gebe in Rio zu viele Kinder, die keine Schule besuchen. Ihnen bleibe oft nur eine kriminelle Karriere übrig, denn die Drogendealer zahlten gut und böten Schutz. Die Regierung investiere zu wenig in soziale Projekte, die diese Kinder auf einem besseren Weg begleiten könnten. Washington fragt und antwortet selbst: "Was bleibt jetzt? Eine unsichere Stadt und eine Art soziale Apartheid."

2016, so meint er, würden Regierung und Presse bei der Berichterstattung über die Favelas und die Sicherheit in der Stadt vieles unterschlagen, um den Touristen keine Angst vor einem Besuch in Brasilien zu machen. Statt echte Lösungen zu suchen, setze man nun bei den Olympischen Spielen Feuerwehr und Armee ein. "Es wird schon alles gut gehen, und am Ende tun alle so, als wären die Probleme nie da gewesen", fasst Washington zusammen.

Zur Serie "Olympia 2016 - Eindrücke aus Rio"

Zur Serie: "WM 2014: Foul am Zuckerhut"