Suchtexpertin kritisiert Umgang mit Psychopharmaka

Suchtexpertin kritisiert Umgang mit Psychopharmaka
Die Suchtexpertin Karin Boeckh fordert mehr Zurückhaltung von Ärzten bei der Verschreibung von abhängig machenden Medikamenten.
11.08.2016
epd
epd-Gespräch: Wenke Böhm

"Psychopharmaka haben längst Einzug in den Alltag gehalten. Gegen alles gibt es eine Pille", sagte die Diplom-Psychologin von der Frauen-Sucht-Beratungsstelle Lagaya in Stuttgart dem Evangelischen Pressedienst (epd). Oft werde gar nicht erst genau untersucht, sondern gleich etwas verschrieben. In Verbindung mit fehlendem Austausch unter den Ärzten und zu wenig Wissen über Wechselwirkungen trage dies zur Tablettensucht bei, vor allem bei älteren Frauen.

Dauerhafte Schädigung der Organe

"Viele sind sich ihrer Abhängigkeit nicht einmal bewusst, denn ihre Medikamente sind ja ärztlich verschrieben", machte Boeckh deutlich. Bei Langzeitgebrauch könnten innere Organe wie Leber und Nieren dauerhaft geschädigt werden. Auch führten Neben- und Wechselwirkungen manchmal zu Fehldiagnosen. Da werde hin und wieder eine Demenz vom Arzt festgestellt, dabei seien die beobachteten Aussetzer eine Folge des falschen Tablettengebrauchs.

Die Sucht bei Frauen verlaufe leiser und schleichender als bei Männern. Viele kämen erst sehr spät in die Beratung, wenn überhaupt. Das Thema sei sehr schambesetzt. "Ganz wichtig sind die Aufklärung und die Behandlung in einem geschützten Rahmen", sagt Boeckh.