"Durchgeknallte Staatsanwältin" ist nicht immer Schmähkritik

"Durchgeknallte Staatsanwältin" ist nicht immer Schmähkritik
Die Bezeichnungen "durchgeknallte", "dahergelaufene" und "geisteskranke Staatsanwältin" sind nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zwar beleidigend, stellen aber nicht von vornherein eine diffamierende Schmähkritik dar.

Karlsruhe (epd). Wenn ein Gericht von einer Schmähkritik ausgehe, müsse es auch genau begründen, worin die Ehrverletzung bestehe, forderten die Richter des Bundesverfassungsgerichts in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss. (AZ: 1 BvR 2646/15)

Dabei ging es um einen Strafverteidiger, der im Dezember 2009 den Vorsitzenden des Berliner Frauen-Hilfsvereins "Hatun & Can" wegen eines Ermittlungsverfahrens zur Veruntreuung von Spendengeldern vertreten hat. Als Haftbefehl gegen den Vereinsvorsitzenden erlassen wurde, machte der Anwalt seinem Ärger bei einem Telefonat mit einem Journalisten Luft. Er bezeichnete die zuständige Staatsanwältin als "dahergelaufene Staatsanwältin", "durchgeknallte Staatsanwältin", "widerwärtige, boshafte, dümmliche Staatsanwältin" und "geisteskranke Staatsanwältin".

Besondere Begründung erforderlich

Als dies publik wurde, folgte die Anzeige wegen Beleidigung. Das Landgericht Berlin verurteilte den Anwalt zu einer Geldstrafe in Höhe von 8.400 Euro. Die Äußerungen seien ehrverletzend und kämen einer "haltlosen Verteufelung" gleich. Es handele sich hier um eine unzulässige Schmähkritik.

Dem folgte das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht. Das Gericht habe nicht ausreichend begründet, warum die Äußerungen eine ehrverletzende Schmähkritik seien. Während bei einer regulären Beleidigung die Äußerungen immer auch mit dem Recht auf Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht des Beleidigten abgewogen werden müssen, sei solch eine Abwägung bei der Schmähkritik nicht erforderlich. Die Meinungsfreiheit trete regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurück, was jedoch auch eine besondere Begründung erfordere.

Landgericht muss neu prüfen

Hier hätte das Landgericht genau prüfen müssen, inwieweit die Äußerung von dem Ermittlungsverfahren völlig losgelöst waren und es nur um die persönliche Diffamierung der Staatsanwältin ging, so die Bundesverfassungsrichter. Das Landgericht muss nun die Beleidigung neu prüfen und mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung abwägen.

Der Vorsitzende des Vereins "Hatun & Can" wurde 2011 vom Landgericht Berlin zu vier Jahren und zehn Monaten Haft wegen der Veruntreuung von rund 700.000 Euro an Spendengeldern verurteilt. Unter anderem hatte die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer dem Verein 500.000 Euro aus ihrem Gewinn der Fernsehshow "Wer wird Millionär" gespendet.