"Zwischen Amoklauf und Terror"

"Zwischen Amoklauf und Terror"
Das blutige Attentat in Würzburg war nach der Bewertung der Bundesregierung die Tat eines Einzeltäters, der vom IS aufgestachelt wurde. Ob er Mitglied der Terrorgruppe war und es Hintermänner gibt, soll nun die Bundesanwaltschaft klären.

Berlin (epd). Das Axt-Attentat von Würzburg war nach Bewertung der Bundesregierung ein Angriff eines fanatisierten Einzeltäters. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Mittwoch in Berlin, es weise vieles darauf hin, dass es sich um einen Einzeltäter handele, der durch die Propaganda der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) angestachelt wurde. Hinweise für eine Anordnung des IS gebe es aber nicht. Der Minister bezeichnete den Anschlag als Tat "zwischen Amoklauf und Terror".

Dennoch übernahm am Mittwoch die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen. Sie prüft den Verdacht, dass der Angreifer Mitglied des IS war. Vor diesem Hintergrund sei zu klären, ob weitere bislang unbekannte Tatbeteiligte oder Hintermänner in die Tat eingebunden waren. Ermittlungen seien unter anderem wegen versuchten Mordes gegen nicht namentlich bekannte Beschuldigte aufgenommen worden.

Am Dienstag hatten sich Hinweise auf eine islamistisch motivierte Tat verdichtet. De Maizière bestätigte, dass eine Art Abschiedsbrief an den Vater gefunden worden sei, in dem von Rache an Ungläubigen die Rede gewesen sein soll. Zudem stuften die Behörden ein Internetvideo, in dem sich der Angreifer zum IS bekennt, als authentisch ein. Experten hätten es als "klassisches Video eines Selbstmordattentäters" eingestuft, sagte de Maizière. Wann das Video aufgenommen wurde, ist noch unklar.

Zweifel an Alter und Herkunft

Der Attentäter hatte am Montagabend in einem Regionalzug bei Würzburg Fahrgäste unter anderem mit einer Axt attackiert. Mehrere Menschen wurden verletzt, mindestens drei davon lebensgefährlich. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach über ihren Sprecher am Mittwoch ihre Anteilnahme aus. Der Angreifer, der 2015 bei deutschen Behörden als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus Afghanistan um Asyl bat, wurde von Sondereinsatzkräften erschossen.

Inzwischen gibt es Zweifel am Alter des Angreifers und an seiner Herkunft. Bislang hieß es, er sei 17 Jahre alt. Medienberichten zufolge könnte er aus Pakistan stammen. De Maizière sagte, dagegen spreche, dass der Anruf über einen getöteten Bekannten, der Auslöser des Anschlags gewesen sein könnte, aus Afghanistan kam. Zudem gebe es einen Antrag auf Familienzusammenführung, der sich ebenfalls auf Afghanistan beziehe.

Der Angreifer lebte zuletzt bei einer deutschen Pflegefamilie. Vor diesem Hintergrund bat de Maizière alle in der Flüchtlingshilfe engagierten Ehrenamtlichen, sich von der Würzburger Tat nicht erschüttern zu lassen. Die Arbeit sei wertvoll. "Bitte machen Sie weiter", sagte er.

Intensivere Zusammenarbeit mit Providern

Der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Peter Altmaier (CDU) warnte zudem vor einem Generalverdacht gegen Flüchtlinge. Die Gefahr des Terrorismus sei nicht größer und nicht kleiner als in der übrigen Bevölkerung, sagte der Kanzleramtsminister am Dienstagabend im "Heute Journal" im ZDF. Die meisten Terroristen, die in der letzten Zeit Anschläge verübten, seien Menschen gewesen, die in Europa geboren und aufgewachsen sind.

De Maizière forderte nach dem Würzburger Gewaltakt mehr Videoüberwachung und Polizei sowie eine stärkere Zusammenarbeit mit Providern, um die Verbreitung von Propaganda schwieriger zu machen. Zudem betonte er die Bedeutung von Präventions- und Deradikalisierungsarbeit.

Der Bund unterstützt dies unter anderem durch eine Beratungsstelle beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, an die sich Menschen wenden können, wenn sie im Umfeld Radikalisierungstendenzen beobachten. Auch Betreuer unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge nutzen nach deren Angaben das Angebot. Im vergangenen Jahr seien knapp 70 Fälle, in denen sich hauptsächlich Jugendämter oder Jugendhilfeeinrichtungen an die Hotline gewandt haben, an ein Beratungsnetzwerk weitergegeben worden, teilte die Behörde auf Anfrage mit. Insgesamt nahm die Hotline vom Start im Januar 2012 bis Ende 2015 2.500 Anrufe entgegen.