Anwältin: Debatte um Ehen minderjähriger Flüchtlinge schürt Feindbilder

Anwältin: Debatte um Ehen minderjähriger Flüchtlinge schürt Feindbilder
Die Frankfurter Anwältin Birgit Na'amni hat die Debatte über verheiratete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland kritisiert.

"Die Diskussion zeigt eine fürchterliche Unaufgeklärtheit gegenüber dem Islam. Es werden Feindbilder geschürt", sagte die Fachanwältin für Familien- und Sozialrecht dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie sieht darin ein bedenkliches Zeichen von Islamophobie.

Na'amni arbeitet in Frankfurt am Main und ist Verfahrensbeistand einer 15-Jährigen Syrerin, die mit ihrem sechs Jahre älteren Ehemann nach Deutschland geflohen ist. Der Bundesgerichtshof verhandelt bald in dritter Instanz darüber, ob deren nach syrischem Recht geschlossene Ehe in Deutschland anerkannt wird. Das Oberlandesgericht Bamberg hatte im Juni in zweiter Instanz die Ehe des syrischen Paares für gültig erklärt.

Keine Ehe unter Zwang

"Die Ehemündigkeit beginnt bei uns mit 18, mit einer Ausnahmeregelung können auch 16-Jährige heiraten. Das Phänomen minderjährig Verheirateter gibt es in Deutschland also auch", erklärte Na'amni. Vor dem Bundesgerichtshof gehe es nicht um die Angleichung der Rechtsordnung, sondern um den Umgang mit anderen Rechtsformen. "Solche Kollisionsfragen gab es schon immer", betonte die Juristin. Mit Blick auf das Urteil der Vorinstanz sagte die Anwältin: "Es ist Unsinn zu behaupten, dass deutsche Gerichte nach Scharia-Recht urteilen."

"Die Entscheidung wäre anders ausgefallen, wenn diese Ehe unter Zwang geschlossen worden wäre", erklärte Na'amni. Es sei vom Gericht jedoch festgestellt worden, dass es sich nicht um eine Zwangsehe handele, genauso wenig gehe um eine Kinderehe: "Syrien hat ein gutes Personenstandsgesetz. Wie bei uns entscheidet ein Gericht, ob Minderjährige ehemündig sind, bevor es sie verheiratet." Dass unter 16-Jährige heiraten, gebe es nicht nur in muslimisch geprägten Ländern. "Auch in einigen US-Bundesstaaten ist das möglich", sagte die Juristin.

Ob eine Ehe in Deutschland anerkannt werde, müsse für jeden Fall neu entschieden werden. "Es ist gut, dass jetzt ein Präzedenzfall verhandelt wird. Jugendämter und Familiengerichte können sich daran orientieren."

Im konkreten Fall sei die Fluchtgeschichte des Paares für das Oberlandesgericht ausschlaggebend gewesen. "Die beiden waren in dieser Zeit eine Beistandsgemeinschaft, haben aufeinander aufgepasst. Das geht aus ihren Erzählungen hervor. Dem Gericht reichte das, um die Ehe anzuerkennen", erklärte Na'amni. Das Paar habe sich zudem trotz Verbots getroffen, als die Jugendliche in Obhut des Jugendamts war. "Wäre ihr Mann eine Gefahr für sie, hätte sie das nicht gemacht", sagte die Anwältin.