Disput um Integrationsgesetz und Türkei-Abkommen

Disput um Integrationsgesetz und Türkei-Abkommen
Selten gab es zwischen Bundesregierung und Kirchen so viel Einigkeit wie in der Asylpolitik seit 2015. Inzwischen gibt es aber auch wieder Anlass zu streiten. Am Dienstag stellte sich Kanzleramtschef Altmaier der Diskussion ums Integrationsgesetz.
21.06.2016
epd
Von Corinna Buschow (epd)

Berlin (epd). Zur Begrüßung kann Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) noch einen Dank mitnehmen. Einen kräftigen Applaus für die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im vergangenen Spätsommer gibt es beim Symposium zum Flüchtlingsschutz von Evangelischer Kirche in Deutschland (EKD), Wohlfahrtsverbänden und Organisationen am Dienstag in Berlin. Es ist inzwischen das 16. Treffen der Asylexperten und das erste seit der massenhaften Ankunft von Flüchtlingen 2015. Das Symposium macht aber auch deutlich, dass die große Euphorie über die Politik inzwischen wieder verflogen ist. Für das Integrationsgesetz und das EU-Türkei-Abkommen musste sich Altmaier viel Kritik anhören.

Altmaier verteidigt Gesetz

Diakoniepräsident Ulrich Lilie bemängelte, das Integrationsgesetz sei wenig ambitioniert und atme den "Geist des Misstrauens". Mit dem Integrationsgesetz will die Bundesregierung mehr Angebote für Kurse und Jobs schaffen, gleichzeitig aber auch diejenigen mit Sozialleistungskürzungen bestrafen, die verpflichtende Angebote nicht wahrnehmen. Das Gesetz unterstelle damit mangelnden Integrationswillen, sagte Lilie. Die Erfahrungen der Diakonie in ihren Einrichtungen deutschlandweit zeigten aber das Gegenteil.

Altmaier verteidigte das Gesetz: "Wir wollen, dass sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen." Er sei überzeugt, dass sich die meisten Flüchtlinge engagieren wollten, betonte der CDU-Politiker. Gleichzeitig räumte er auch ein, bei der Organisation von Kursen müsse einiges noch besser werden. Bis zur Sommerpause will die Koalition das Gesetz im Bundestag verabschieden.

Lilie kritisierte auch das EU-Türkei-Abkommen, in dem vorgesehen ist, jeden in Griechenland ankommenden Bootsflüchtling in die Türkei zurückzuschicken. Europa dürfe die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz nicht auf Länder außerhalb der EU abwälzen, sagte er. Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt warnte, das individuelle Recht auf Asyl drohe durch das Abkommen ausgehebelt zu werden. Amnesty International-Referentin Wiebke Judith verwies auf Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Die Situation in dem Land dürfe nicht beschönigt werden, um das Abschieben von Flüchtlingen in ein vermeintlich sicheres Land zu rechtfertigen, sagte sie.

Eine Verschnaufpause für viele

Altmaier entgegnete, die Bundesregierung sehe die Türkei nicht als sicheres Herkunftsland an. Das Land, das derzeit rund drei Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat, sei für Schutzsuchende aber ein sicherer Drittstaat. Vieles beim Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge oder beim Bau von Unterkünften sei dort "nicht besonders toll gewesen", sagte der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung. Es sei aber nicht ein Land, in das man von vornherein keine Flüchtlinge zurückschicken könne.

Altmaier warnte zudem davor, die derzeit niedrigen Flüchtlingszahlen schon als Ende der Krise zu werten. Für viele sei dies momentan eine Verschnaufpause, sagte er. "Es wissen aber auch alle, dass noch mehr Menschen kommen werden", sagte der Kanzleramtsminister und verwies auf das Resettlement - die zugesagte Neuansiedlung von Flüchtlingen - sowie den Familiennachzug.

Zum Flüchtlingsschutzsymposium laden jährlich rund 15 Organisationen nach Berlin ein. Zu den Gastgebern gehören die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Diakonie und Caritas, das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, AWO und Paritätischer Wohlfahrtsverband sowie Pro Asyl, Amnesty International und der Deutsche Anwaltverein.