De Maizière kann sich auch mit Nordafrika Flüchtlingspakt vorstellen

De Maizière kann sich auch mit Nordafrika Flüchtlingspakt vorstellen
Nach dem Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei richten sich die Augen nun auf mögliche neue Brennpunkte der Flüchtlingskrise: Auch aus Nordafrika könnten dieses Jahr wieder zahlreiche Menschen nach Europa übersetzen wollen.

Brüssel (epd) Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kann sich ein Flüchtlingsabkommen wie mit der Türkei grundsätzlich auch mit nordafrikanischen Ländern vorstellen. Das Abkommen mit der Türkei wirke, sagte de Maizière am Donnerstag in Luxemburg vor einem Treffen der EU-Innenminister. Die Methode, illegale durch legale Migration zu ersetzen, sei "auch für denkbare Ausweichrouten richtig". Allerdings sei die Umsetzung schwierig, räumte der Minister ein. Italien, wo die meisten Migranten aus Nordafrika über das Mittelmeer ankommen, werde dabei eine Führungsfunktion übernehmen, sagte der Bundesinnenminister.

Viele Fragen offen

Zurückhaltend äußerte sich Migrationsminister Klaas Dijkhoff aus den Niederlanden, dessen Land den Vorsitz im EU-Ministerrat innehat. "Die Länder auf der anderen Seite des Meeres, von Italien aus gesehen, sind nicht dasselbe wie die Türkei. Also kann man das Modell und den Pakt nicht einfach kopieren", sagte Dijkhoff in Luxemburg.

Das Abkommen mit der Türkei wurde am 18. März geschlossen. Es sieht hauptsächlich vor, dass die Türkei alle irregulär über das Meer auf die griechischen Inseln gelangten Migranten und Flüchtlinge, die in der EU kein Asyl erhalten, wieder aufnimmt. Die Zahl der Neuankömmlinge in Griechenland hat sich nach Inkrafttreten des Abkommens stark verringert.

Zugleich sind viele Fragen der Umsetzung des umstrittenen Paktes, die am Donnerstag in Luxemburg Thema war, noch offen. Der luxemburgische Einwanderungsminister Jean Asselborn verwies darauf, dass es zwar Garantien für den Schutz der aus der EU in die Türkei zurückgeschickten Syrer gebe. Solche Garantien fehlten jedoch für Menschen anderer Nationalität, etwa für Afghanen und Bangladescher. "Und hier müssen wir ganz klar sehen, dass wir mit der Türkei da auf eine Basis kommen, wo diese Garantien auch gegeben sind", forderte Asselborn.

Permanenter Verteil-Mechanismus

Unterdessen könnte die in dem Abkommen in Aussicht gestellte Visafreiheit für türkische Bürger bei Reisen in die EU nach Einschätzung des FDP-Europaabgeordneten Alexander Graf Lambsdorff in Deutschland zu einer "riesigen Welle von neuen Asylbewerbern" führen. Zur Begründung verwies Lambsdorff am Donnerstag im WDR-Radio auf bürgerkriegsähnliche Zustände in den Kurdengebieten im Südosten der Türkei. Der Konflikt könne viele Menschen bewegen, in die EU zu fliehen. Daher müsse die EU "bei einem plötzlichem Anstieg von Asylbewerbern aus der Türkei die Visumspflicht wieder einführen können", forderte der FDP-Politiker.

De Maizière äußerte sich auch zur langfristigen Perspektive der Flüchtlingspolitik. Bei der Reform des sogenannten Dublin-Systems will Deutschland demnach zweigleisig fahren. "Natürlich ist Deutschland inzwischen für einen permanenten Verteilmechanismus", sagte de Maizière. "Dafür eine Mehrheit zu organisieren, wird schwierig. Deswegen konzentrieren wir uns jetzt genauso auf die Umsetzung der anderen Vorschläge, nämlich Dublin effektiver zu machen."

Nach der aktuellen Dublin-Regelung muss meist der Staat einen Asylantragsteller aufnehmen, in dem dieser zuerst europäischen Boden betritt. Derzeit sind das vor allem Griechenland und Italien. Die EU-Kommission hat zwei Reformvorschläge vorgelegt. Nach Option eins würde das jetzige System beibehalten und ergänzt. In Zeiten eines Massenandrangs in ein bestimmtes EU-Land käme ein "Fairness-Mechanismus" zum Einsatz, und andere Länder müssten ihm Flüchtlinge abnehmen. Nach Option zwei würde der Grundsatz des Erst-Einreiselandes abgeschafft. Die Asylbewerber würden unabhängig davon, wo sie in der EU ankommen, nach einem permanenten Mechanismus verteilt.