Krankenkassen für unangemeldete Kontrollen in der ambulanten Pflege

Krankenkassen für unangemeldete Kontrollen in der ambulanten Pflege
Nach Berichten über großangelegte Betrügereien in der Pflege hat der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen gefordert, künftig unangemeldete Prüfungen bei der häuslichen Krankenpflege zu ermöglichen.

Berlin (epd) "Ob die Leistungen der Krankenversicherung korrekt erbracht werden, darüber haben wir keine Prüfrechte", sagte GKV-Vorstand Gernot Kiefer am Montag in Berlin. Hier sei der Gesetzgeber dringend gefordert. Transparency International unterstützte die Forderung. Die Bundesregierung und der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe warnten indes vor Pauschalurteilen gegen die Branche.

Kiefer rief die Bundesregierung auf, eine gesetzliche Grundlage für unangemeldete Kontrollen zu schaffen: "Wir müssen auch bei häuslicher Krankenpflege ein unangemeldetes Prüfrecht bekommen - und zwar insbesondere, wenn sie in Kombination mit Leistungen der Pflegeversicherung auftaucht."

Berichte über systematische Betrügereien

Der Bayerische Rundfunk und die "Welt am Sonntag" hatten am Wochenende berichtet, dass das Bundeskriminalamt (BKA) Hinweise auf systematische Betrügereien von Pflegediensten hat, bei denen es sich in einzelnen Fällen auch um Aktivitäten "russisch-eurasischer Organisierter Kriminalität" handeln soll.

Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums warnte davor, dass "alle Intensivpflegepatienten oder ihre Angehörigen unter Generalverdacht gestellt werden". Laut BKA handele es sich um Abrechnungsbetrug durch ambulante Pflegedienste, die mehrheitlich von Personen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion geführt würden. "Das gilt als ein bundesweites Phänomen", sagte der Sprecher. Auch zur Höhe des möglicherweise entstandenen Schadens äußerte er sich nicht: "Da liegen uns keine Schätzungen vor."

Lücken bei der Qualitätskontrolle schließen

Über das weitere Vorgehen solle nun mit den Bundesländern in der Gesundheitsministerkonferenz beraten werden. Zudem gebe es Gespräche mit den Spitzen der Krankenversicherung, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Krankenhausgesellschaft sowie dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Es müsse geprüft werden, "wie eventuell Lücken bei der Qualitätskontrolle im Bereich der häuslichen Krankenpflege geschlossen werden könnten, um Patienten und ihre Angehörigen künftig besser vor solchen kriminellen Handlungen zu schützen".

GKV-Vorstand Kiefer sagte: "Wir arbeiten seit Jahren beim Berliner Runden Tisch gegen Abrechnungsbetrug in der ambulanten Pflege mit. Krankenkassen und Sozialhilfeträger haben dort zahlreiche Fälle von Leistungsmissbrauch besprochen. Wir dürfen davon ausgehen, dass es sich um ein bundesweites Phänomen handelt."

Wie diese möglichen Betrügereien zustande kommen, erläuterte Kiefer auch: "Abrechnungsbetrug liegt vor, wenn Kranken- und Pflegekassen die Pflege durch qualifizierte Fachkräfte vertraglich vereinbaren, in der Realität aber systematisch ungelernte Hilfskräfte eingesetzt werden." Dann zahlten die Kassen den vereinbarten Stundensatz der Fachkraft. Unterm Strich mache der Pflegedienst damit einen beachtlichen Gewinn.

Ohne Kontrollen fast alles manipulierbar

Transparency International warb ebenfalls für unangemeldete Kontrollen in der ambulanten Pflege. Das sei zwar kein Allheilmittel, aber ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung, sagte Pflegeexperte Christoph Jaschke in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es sei der einzige Weg, den ambulanten Pflegediensten zu sagen, "ihr müsst anständig arbeiten". Ohne diese Kontrollen sei fast alles manipulierbar, betonte Jaschke.

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe warnte vor Pauschalurteilen gegen die Branche. Ohne Frage müssten Straftaten rasch aufgeklärt und geahndet werden, erklärte Ulla Rose, Geschäftsführerin des Regionalverbandes Nordost, in Berlin. Nötig sei aber ein differenzierter und verantwortungsvoller Umgang mit der Arbeit der Dienste und der Pflegenden: "Die Skandalisierungen reißen seit Jahren nicht ab."

Rose kritisiert unter anderem den fehlenden Schutz von Hinweisgebern, sogenannten Whistleblowern. Ihr seien Beispiele bekannt, in denen Pflegende von ihren Arbeitgebern angehalten wurden, nicht erbrachte Leistungen zu dokumentieren. Bislang müssten aber Hinweisgeber mit Repressalien rechnen, wenn sie Betrugshandlungen anzeigen, sagte die Expertin.