Pfarrer steht am Sonntagmorgen vor leeren Bänken

Pfarrer steht am Sonntagmorgen vor leeren Bänken
Stell dir vor, es ist Gottesdienst am Sonntag und keiner geht hin. Für den evangelischen Pfarrer Horst Rockel aus Biebertal-Königsberg bei Gießen ist dieser Alptraum am 17. Januar Wirklichkeit geworden.

"Es war ein merkwürdiges Gefühl, um 9.30 Uhr im Talar vor völlig leeren Bänken zu stehen", sagte Rockel am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wenn ich nicht um 11 Uhr in der Nachbargemeinde Fellingshausen hätte predigen müssen, wäre die Situation noch frustrierender gewesen."

Als mögliche Erklärung für das Desaster führt der 62-jährige Theologe den Glatteisregen am dritten Januarsonntag an, der wahrscheinlich viele Gemeindemitglieder vom Gottesdienstbesuch abgehalten habe. Die 1654 errichtete Kirche schmiege sich an einen etwa 400 Meter hohen Berg und sei nur über Treppen zu erreichen. "Der Weg wäre vor allem für die Älteren zu gefährlich gewesen."



Völlig überrumpelt worden sei er von der Situation am 17. Januar aber nicht, sagte Rockel. Der Gottesdienstbesuch in dem Biebertaler Ortsteil mit seinen rund 900 Einwohnern lasse bereits seit geraumer Zeit zu wünschen übrig. Schon häufig habe er am Sonntagmorgen im Königsberger Kirchlein an das Jesuswort "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen" (Matthäus 18, 20) denken müssen. 

Auf jeden Fall wollen die 450 Gemeindemitglieder und ihr Seelsorger nach dem Vorfall nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. "Wir können nicht so weiterwursteln wie bisher", betonte Rockel. Deswegen habe er bereits mit dem Gießener Dekan Frank-Tilo Becher über Änderungen gesprochen. Wie man künftig mehr Menschen in die Kirche locken könne, sei auch Thema einer Sondersitzung des Kirchenvorstandes. Gedacht sei zum Beispiel daran, vermehrt Gottesdienste zu besonderen Anlässen oder an besonderen Orten zu feiern. "Zum Erntedankfest auf dem Hofgut kommen die Menschen", sagte Rockel.