Berlin kann sehr kalt sein

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Steven Spielbergs Kalter-Kriegs-Thriller "Bridge of Spies" erzählt vom ersten Agentenaustausch zwischen Ost und West in Berlin 1962.
Berlin kann sehr kalt sein

Spielbergs Thriller «Bridge of Spies» erzählt vom Agentenaustausch zwischen Ost und West auf der Glienicker Brücke im Jahr 1962. Als amerikanischer Unterhändler sucht Tom Hanks in unübersichtlichen Zeiten die Bürgerrechte zu verteidigen.
24.11.2015
epd
Martin Schwickert (epd)

Frankfurt a.M. (epd)New York im Jahre 1958: Ein Mann droht dem FBI im Gedränge der U-Bahn und im Meer der Hut und Anzug tragenden Männer zu entkommen. Der Verfolgte geht seine Wege in unbeirrter Ruhe, verschwindet in der Menge und taucht unvermittelt am Treppenausgang wieder auf, als die Bundespolizisten schon aufgegeben haben. Die Kamera verfolgt das Geschehen in einem entspannten Beobachtungsmodus. Es wird kaum ein Wort gesprochen. Keine Musik. Nur die Geräusche der Großstadt bilden den Soundtrack für die Eröffnungssequenz in Steven Spielbergs "Bridge of Spies - Der Unterhändler", die in klassischer Eleganz erstrahlt, aber auch schon ein Bekenntnis ist.

Rechtstaatlichen Schein wahren

Denn der Verfolgte, mit dessen Gelassenheit sich die Kamera zu verbünden scheint, ist keineswegs die Hauptfigur oder gar der Held des Films, sondern ein sowjetischer Spion, an dessen Schuld kein Zweifel besteht. Als die Behörden Rudolf Abel fassen und vor Gericht stellen, wird der Versicherungsanwalt James Donavan (Tom Hanks) als Pflichtverteidiger unter Vertrag genommen, um den rechtsstaatlichen Schein zu wahren. Aber der couragierte Anwalt nimmt sein Mandat ernster, als es der Richter, die CIA und die Öffentlichkeit von ihm erwarten. Es gelingt ihm, das Todesurteil in eine lebenslange Freiheitsstrafe umzuwandeln, indem er dem Richter klar macht, dass Abel als Tauschware im Agentengeschäft von größerem Nutzen sei als auf dem elektrischen Stuhl.

Drei Jahre später wird ein amerikanisches Spionageflugzeug abgeschossen und der Pilot in der UdSSR vor Gericht gestellt. In Berlin, der Frontstadt des kalten Krieges, soll Donavan den Agentenaustausch aushandeln. Er will Abel nicht nur gegen den US-Piloten eintauschen, sondern auch noch die Freilassung eines harmlosen, amerikanischen Studenten erwirken, der sich beim Mauerbau auf der falschen Seite aufgehalten hat. Dabei muss der Jurist sowohl mit der sowjetischen Seite als auch mit dem windigen DDR-Rechtsanwalt Wolfgang Vogel (Sebastian Koch) ins Geschäft kommen.

Klassischer Kalter-Kriegs-Thriller

Über weite Strecken inszeniert Spielberg, der hier die historischen Ereignisse um den ersten Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke im Jahre 1962 aufgreift, seinen "Bridge of Spies" als klassischen Kalter-Kriegs-Thriller. Dabei kontrastiert er - nicht unkonventionell - das retroschicke New York der 50er-Jahre, das in goldenes Herbstlicht getaucht wird, mit den grauen Ruinenlandschaften Ostberlins im bitterkalten Winter. Die Beobachtung aus dem Berliner S-Bahn-Zug heraus, wie eine Gruppe Flüchtender an der Mauer von Grenzern niedergeschossen wird, wird als Motiv am Ende wieder aufgenommen, wenn Donavan aus einem New Yorker Nahverkehrszug blickt und ein paar Jugendliche frei und unbeschwert über die Hinterhofzäune turnen.

Diesen wenig subtilen Mustern steht allerdings das aufrichtige Bemühen des Films gegenüber, einen durch historischen Abstand gereiften Blick auf den Kalten Krieg zu werfen. Dem machiavellistischen Machtkalkül der Regierungssysteme in Ost und West wird Tom Hanks als Held der Zivilgesellschaft gegenüber gestellt, der weniger sein Vaterland als die vergilbten Werte der amerikanischen Verfassung zu verteidigen versucht.

Wenn der Film hartnäckig darauf besteht, dass auch politischen Gegnern ein fairer Prozess zusteht, drängt sich der Vergleich mit der Gegenwart auf. Denn ein Mann wie Abel würde heute sicherlich im rechtsfreien Raum von Guantanamo oder einer Folterkammer im verbündeten Ausland spurlos verschwinden.