Gauck: Hospiz- und Palliativmedizin Alternative zu Sterbehilfe

epd-bild/Kristina Schaefer
Bundespräsident Joachim Gauck sieht keine
Gauck: Hospiz- und Palliativmedizin Alternative zu Sterbehilfe
Bundespräsident Joachim Gauck wirbt um mehr Aufklärung über Angebote am Lebensende.

Berlin (epd)Vor der Abstimmung im Bundestag über eine mögliche Neuregelung der Hilfe beim Suizid hat sich Bundespräsident Joachim Gauck deutlich skeptisch über mehr Möglichkeiten zur Sterbehilfe geäußert. "Nicht durch die Hand eines anderen sollen die Menschen sterben, sondern an der Hand eines anderen", zitierte Gauck den früheren Bundespräsidenten Horst Köhler am Montag bei einer Diskussion in Berlin. Besser könne er es heute auch nicht sagen, ergänzte Gauck.

Teil der Angst nehmen

Gauck hatte mehrere Experten zum Thema Hospiz- und Palliativversorgung ins Schloss Bellevue eingeladen. Palliativmediziner und Sterbebegleiter gäben eine andere Antwort auf Ängste am Lebensende. Sie nähmen einen Teil der Angst, aus der in vielen Fällen der Ruf nach Sterbehilfe erwächst. Dieses Engagement müsse weiter bekanntmacht werden, forderte der Bundespräsident.

Der Bundestag beschäftigt sich in dieser Woche gleich zweimal mit Fragen am Lebensende. Am Donnerstag berät das Parlament abschließend über ein Gesetz, das die Versorgung in Hospizen und auf Palliativstationen verbessern soll. Am Freitag ist die Abstimmung über eine mögliche Neuregelung der Hilfe zum Suizid geplant. Die fraktionsübergreifenden Initiativen aus dem Parlament reichen von einem Verbot der Hilfe bei der Selbsttötung bis zu einer ausdrücklichen Erlaubnis dieser Form der Sterbehilfe für Vereine und Ärzte.

Pioniere gebraucht

Der Direktor der Bonner Klinik für Palliativmedizin, Lukas Radbruch, sagte, im Blick auf die Sterbegleitung brauche die Gesellschaft eine Änderung der Haltung. Krebspatienten fänden meist den Weg zur palliativen Versorgung, die Todkranken das Sterben beispielsweise durch Schmerzbehandlung erträglicher macht. Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Demenz kämen schon seltener. Nach wie vor würden Pioniere gebraucht, die besonders im ländlichen Raum Angebote aufbauen, bekannter machen und über Möglichkeiten am Lebensende aufklären.

Radbruch begrüßte die Bemühungen der Politik, die Hospiz- und Palliativversorgung zu stärken. Bei allem Aufbau müsse nun darauf geachtet werden, dass die Qualität nicht auf der Strecke bleibe. Die Dessauer Palliativmedizinerin Anja Schneider betonte, auch künftig seien die vielen Ehrenamtlichen notwendig, die die Sterbebegleitung durch einen anderen Blick bereicherten. Der frühere Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) appellierte an die Politik, mehr Engagement in die Beschaffung von Fachleuten in diesem Gebiet zu stecken. Die Verbesserungen müssten auch umgesetzt werden, sagte er.

Keine normale Dienstleistung

Der Erlanger evangelische Theologe Peter Dabrock appellierte, am Lebensende Hilfe, aber auch das Sterben zuzulassen. Das Mitglied im Ethikrat, das gegen eine explizite Erlaubnis der Hilfe beim Suizid durch Vereine ist, sagte, ihn wundere in der Debatte das Verständnis von Selbstbestimmung über das eigene Leben. Ein gutes Leben machten auch Beziehungen aus, in denen man sich fallenlassen könne. Wer so sterben möchte, wie er gelebt hat, müsste sich also in diese Beziehungen fallenlassen und nicht alles kontrollieren wollen, sagte er.

Auch der Zentralrat der Juden warnte vor einer Liberalisierung der Sterbehilfe. Schwer kranke und alte Menschen dürften durch dabei entstehende Angebote nicht in den Suizid gedrängt werden, sagte Zentralrats-Präsident Josef Schuster am Montag in Berlin. "Hilfe zur Selbsttötung darf nicht zum Regelangebot oder zur normalen Dienstleistung und damit zur Alternative der Sterbebegleitung werden", ergänzte Schuster, der selbst Arzt ist und der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer angehört.