Verbraucherorganisation foodwatch fordert radikale Wende bei Tierhaltung

Verbraucherorganisation foodwatch fordert radikale Wende bei Tierhaltung
Auch Bio-Hühner sind laut Experten nicht immer gesund

Berlin (epd)Die Verbraucherschutzorganisation foodwatch fordert eine Kehrtwende in der Tierhaltung. Es sollten nur noch tierische Lebensmittel in den Handel kommen dürfen, die nachweislich tiergerecht erzeugt wurden, sagte der stellvertretende foodwatch-Geschäftsführer, Matthias Wolfschmidt, am Donnerstag in Berlin. Dazu müsse die Europäische Union verbindliche Vorgaben für die Tiergesundheit festlegen. Ebenso müsse die bestmögliche Haltungsform von Nutztieren EU-weit als Mindeststandard vorgeschrieben werden.

Ausschaggebend ist die Gesundheit der Tiere

Tiergerechte Produkte umfassen nach Ansicht der Organisation nicht nur eine artgerechte Haltung von Nutztieren - wie es etwa im Supermarkt anhand der Kennzeichnung von frischen Eiern ablesbar ist, sondern auch die Gesundheit von Tieren. Die Foodwatch-Expertin für Tierwohl, Luise Molling, wies mit Blick auf Legehennen darauf hin, dass heute selbst bei Bio-Eiern, die mit einer "0" gekennzeichnet sind, nicht garantiert sei, dass diese von gesunden Hühnern stammten. Der Gesundheitszustand der Tiere werde bislang nicht systematisch erfasst.

So seien Bio-Hühner ebenso wie ihre konventionellen Artgenossen "Hochleistungshennen", sagte Mollig. Während Hennen in konventioneller Haltung durchschnittlich rund 300 Eier jährlich legten, seien es bei Bio-Hennen etwa 275. Dies führe dazu, dass auch Tiere aus ökologischer Haltung haltungsbedingt erkrankten oder Verhaltensstörungen beziehungsweise Körperschäden aufweisen können. Ob das Bio-Ei von einem gesunden Huhn stamme, sei für Verbraucher nicht erkennbar. Nötig sei deshalb ein Kontrollsystem zum Nachweis einer tiergerechten Haltung.

Die damit verbundenen höheren Preise für Fleisch-, Milch- und Eiererzeugnisse oder andere tierische Produkte müssten die Verbraucher zahlen. "Niemand hat ein Recht auf billige Tierprodukte. Den Preis dafür bezahlen bislang die Tiere mit ihrem Leid", begründete Wolfschmidt den Vorstoß. Die Haltungsbedingungen der Nutztiere von individuellen Kaufentscheidungen abhängig zu machen, sei ethisch nicht zu rechtfertigen. Wenn die Gesellschaft Tiere als leidensfähige Wesen ansehe und deren Produkte nutzen wolle, seien tiergerechte Lebensbedingungen eine Grundvoraussetzung.

Tierschutz verankert in der europäischen Verfassung

Unterstützt wird die Verbraucherschutzorganisation vom Direktor der Abteilung für internationales Wirtschafts- und Umweltrecht der Universität Göttingen, Tobias Stoll. Er verwies darauf, dass der Tierschutz in der europäischen Verfassung verankert sei. So heiße es im Grundlagenvertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV, Artikel 13): "Bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Union in den Bereichen Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Binnenmarkt, Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt tragen die Union und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung."

Damit müsse die EU Belange des Tierschutzes in der Landwirtschaft und im Binnenmarkt berücksichtigen. Der Wissenschafter räumte zwar ein, dass ein Vermarktungsverbot für nicht tiergerecht erzeugte Produkte gegen die Vorschriften der Welthandelsorganisation WTO verstoßen würde. Ausnahmeregelungen seien aber möglich - etwa zum Schutz bestehender moralischer Standards in einzelnen Ländern, erklärte Stoll.