Forscherin: Auf der Bühne bewältigen Flüchtlinge ihr Leid

Forscherin: Auf der Bühne bewältigen Flüchtlinge ihr Leid
Flüchtlinge brauchen nach Expertenmeinung nicht nur Lebensmittel und Unterkünfte, sondern auch Möglichkeiten, sich mit ihrem Schicksal auseinanderzusetzen.
18.07.2015
epd
Michael Güthlein

Musik, Theater und Film könnten etwa Palästinensern und Syrern im Libanon beim Umgang mit ihrem Leid helfen, sagte die Sozialforscherin Leila Mousa in Stuttgart dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Über Kultur können sich die Menschen ausdrücken, ihre Identität definieren und ihre Erfahrungen mitteilen."

Zudem dienten gemeinsame Kulturprojekte der Verständigung in Krisenregionen. Als Beispiel nannte Mousa eine Theateraufführung von Flüchtlingsfrauen aus dem Lager Schatila nahe Beirut. "Sie haben in das Stück Antigone von Sophokles ihre eigene Geschichte mit eingebaut", erläuterte Mousa die Idee. Initiator ist der syrische Dramaturg Mohammed Al Attar, der von der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt wurde. "Die Künstler bestehen darauf, nicht nur als Flüchtlinge wahrgenommen zu werden", sagte die Geografin am Stuttgarter Institut für Auslandsbeziehungen. Sie forscht zu Kulturarbeit in Flüchtlingslagern im Libanon.

Im Libanon kommen auf 4,5 Millionen Einwohner mittlerweile mehr als 1,2 Millionen Flüchtlinge, vor allem aus Syrien. Besonders die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt trage dazu bei, dass dort Spannungen zunähmen, sagte Mousa. Kultur helfe dabei, Brücken zu schlagen. Projekte müssten deshalb ausdrücklich Einheimische und Migranten ansprechen.

Kulturarbeit könne nicht nur die Lebensqualität verbessern, sondern auch Chancen auf eine Ausbildung eröffnen, sagte die Wissenschaftlerin. Durch ein Projekt zur Musikerziehung in den Lagern Schatila und Burdsch al-Baradschneh seien einige Teilnehmer mittlerweile an das renommierte Beiruter Konservatorium gelangt. Bei der Finanzierung der Programme komme Kulturfonds in der Region eine wichtige Rolle zu.

Kulturarbeit in Flüchtlingslagern müsse ganz besonders auf die Menschen und die Begebenheiten vor Ort eingehen. Nur so könne eine authentische und nachhaltige Förderung gelingen, die über schlichte Ablenkung hinaus künstlerische oder technische Fähigkeiten vermittle. "Wichtig ist es, auf die Bedürfnisse zu schauen und dann entsprechende Freiräume anzubieten", sagte Mousa. "Die Kulturarbeit bietet zwar keine Lösung für die Grundprobleme einer Region, aber sie schafft Räume für Kommunikation, die es sonst nicht geben würde."