TV-Tipp: "Copacabana" (ARTE)

TV-Tipp: "Copacabana" (ARTE)
Geschichten über Hippie-Mütter und ihre unglücklichen Töchter werden in der Regel aus Sicht der Kinder erzählt, so dass die Mütter wie weibliche Pendants zu Peter Pan wirken: Frauen, die sich weigern, erwachsen zu werden; tragische Figuren, die nicht mal merken, wie sehr sie sich lächerlich machen.

Auch Babou zählt dazu, eine Französin um die fünfzig, die sich benimmt wie ein Teenager und in praktisch jeder Hinsicht übers Ziel hinausschießt: die Kleidung zu bunt, das Make-up zu schrill, die Stimme zu laut. Was Babou Ungebundenheit nennen würde, wirkt auf andere ziellos. Den Rest der Gesellschaft repräsentiert in diesem Fall ihre Tochter Esméralda, und die schockiert ihre Mutter mit einer doppelten schlechten Nachricht: Sie wird nicht nur heiraten, und das auch noch kirchlich; sie will auch nicht, dass Babou zur Hochzeit kommt. Die Mutter ist ihr schlicht peinlich. Den Schwiegereltern hat sie erzählt, sie sei in Brasilien.

Normalerweise würde einem Babou spätestens in diesem Moment leid tun. Aber Isabelle Huppert denkt gar nicht dran, diesen Bonus zu nutzen: Sie will kein Almosen, sie will sich die Sympathie des Publikums erobern. Deshalb bleibt Babou eine eher abschreckende Figur, die ihre Mitmenschen nach Lust und Laune benutzt und wieder fallen lässt. Und trotzdem beginnt man fast widerwillig, erst Respekt und dann eine gewisse Zuneigung zu Babou zu empfinden.

Regisseur Marc Fitoussi hat die Rolle zwar für den französischen Star geschrieben, aber jemand wie Huppert feilt natürlich an den Details und legt sich eine Figur so lange zurecht, bis sie perfekt passt. Daher spielt sich die Wandlung Babous auch weniger im Rahmen der Geschichte, sondern vor allem im Kopf des Zuschauers ab. Charakterlich bleibt sie sich treu, und als wolle Fitoussi dies mit Nachdruck in Erinnerung rufen, trennt sich Babou gegen Ende ziemlich garstig von einem Liebhaber. Aber da hat sie die Herzen längst erobert.

Komödie mit dramatischen Zügen

Anfangs mag "Copacabana" die Geschichte einer Egozentrikerin erzählen, doch dann wandelt sich der Film mehr und mehr zur Hommage an eine Frau, die sich nicht unterkriegen lässt. Dabei haben es die Herausforderungen durchaus in sich. Das beginnt schon mit dem Titel: Babous Strand liegt nicht in Rio, sondern im spätherbstlichen Westflandern. Um Esméralda (gespielt von Hupperts Tochter Lolita Chammah) und wohl auch sich selbst zu beweisen, dass sie sehr wohl ein annähernd geregeltes Leben führen kann, nimmt Babou in Oostende einen Job als Vermittlerin für Ferienwohnungen an. Die Arbeit ist undankbar, sie muss die potenziellen Mieter auf der Straße ansprechen, aber sie macht ihre Sache gut und wird sogar befördert; bis ausgerechnet eine gute Tat die hoffnungsvolle Karriere abrupt beendet. Dass Fitoussi die Geschichte trotzdem mit einem fast märchenhaften Schluss krönt, ist seine Belohnung für Babou und ihre Beharrlichkeit.

Die Schauplätze sind trist, die Handlung ist auch nicht gerade der typische Lustspielstoff, der Titel ist ohnehin der pure Hohn. Und trotzdem ist es nicht falsch, den Film als Komödie mit dramatischen Zügen (oder umgekehrt) zu bezeichnen, weil Fitoussi die Handlung sehr unangestrengt umsetzt und die eigentlich düstere Grundstimmung immer wieder mit witzigen, zum Teil auch durchaus gehässigen Details durchsetzt. Aller vordergründigen Heiterkeit zum Trotz erzählt "Copacabana" jedoch eine ernste Geschichte, denn lässt man die bunten Fummel und die grelle Schminke beiseite, geht es um die ganz normalen Konflikte zwischen Müttern und Töchtern; Fitoussi hat sie nur ein wenig auf die Spitze getrieben. Weil Babou eine ganz spezielle Mutter ist, muss sie am Ende besonders weit über ihren Schatten springen; und dafür liebt man sie.