EU will Seenotrettung für Flüchtlinge deutlich ausbauen

EU will Seenotrettung für Flüchtlinge deutlich ausbauen
Bis zu 950 Menschen mussten sterben, um die Politiker der EU zum Handeln zu bewegen. Nun folgt ein Krisentreffen dem nächsten. Geplant ist etwa ein Ausbau der Seenotrettung, die kürzlich noch zusammengestrichen worden war.

Die Europäische Union will nach der jüngsten Flüchtlingstragödie im Mittelmeer ihre Aktivitäten zur Seenotrettung deutlich ausbauen. Es gebe Pläne, die doppelte Zahl von Rettungsschiffen und das doppelte Budget einzusetzen, berichtete Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nach einem EU-Krisentreffen am Montag in Luxemburg. Die Innen- und Außenminister der 28 EU-Länder waren dort außerplanmäßig zusammengekommen, nachdem sich vor der libyschen Küste in der Nacht zum Sonntag das wohl schlimmste Flüchtlingsdrama der europäischen Geschichte ereignet hatte. Beim Untergang eines überfüllten Fischerbootes sollen bis zu 950 Menschen ums Leben gekommen sein.

Die EU hatte Ende vergangenen Jahres einen Grenzeinsatz namens Triton ins Leben gerufen, der bisher ein Budget von lediglich drei Millionen Euro im Monat hat. Zuvor hatte Italien ein Jahr lang umfangreiche Rettungseinsätze im Rahmen seines Mare -Nostrum-Programms unternommen. Diese Operation hatte Rom jedoch eingestellt - nicht zuletzt wegen des Drucks Deutschlands und anderer nördlicher Länder, die in ihm Anreize für Migrations- und Schlepperbewegungen sahen. Mit ihrem Ja zur verstärkten Seerettung vollzieht die deutsche Bundesregierung nun eine Schwenkbewegung.

Sondergipfel der EU einberufen: "So kann es nicht weitergehen"

De Maizière unterstrich allerdings, dass zum Ausbau der Seerettung zwingend auch ein verstärkter Kampf gegen Schleuserbanden gehöre. "Das gehört zu den widerlichsten Verbrechen, die man sich vorstellen kann." Auch hierzu gebe es auf EU-Ebene Beratungen, erläuterte er. Laut einem Vorschlag der EU-Kommission könne unter anderem die Zerstörung von Booten ins Auge gefasst werden, ähnlich wie es im Kampf gegen Piraten vor der Küste Somalias geschehe. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verwies darauf, dass Transitländer wie Libyen stabilisiert werden müssten, damit Schleuserbanden sich dort nicht weiter ausbreiten könnten.

Die EU-Kommission schlägt nach Angaben der Bundesregierung auch vor, im Rahmen eines Pilotprojektes 5.000 schutzbedürftige Flüchtlinge nach Europa zu bringen und sie auf die einzelnen Länder aufzuteilen. "Das ist ein bescheidener Beginn", räumte de Maizière ein. Deutschland werde sich beteiligen; in Sachen Flüchtlingsaufnahme brauche die Bundesrepublik in Europa "von niemandem Nachhilfe".

Wie sie im Detail weiter vorgehen, wollen die 28 EU-Regierungen am kommenden Donnerstag auf höchster Ebene besprechen. Der EU-Ratspräsident Donald Tusk hat die Staats- und Regierungschefs zu einem Sondergipfel nach Brüssel einbestellt. "So wie jetzt kann es nicht weitergehen", unterstrich Tusk. Obgleich es keine schnellen Patentlösungen gebe, erwarte er substanzielle Beiträge der Regierungen und der europäischen Institutionen. Bereits am Mittwoch wollen die EU-Kommission und Vertreter der Afrikanischen Union in Brüssel über Migrationsfragen beraten.

Während die italienische Küstenwache am Montag weiter nach Leichen suchte, sandten vor der libyschen Küste erneut mehrere Flüchtlingsschiffe Hilferufe. Italien und Malta leiteten Rettungsaktionen ein, die Internationale Organisation für Migration (OIM) befürchtete erneut etliche Tote.

Politiker und Kirchen forderten die EU auf, Flüchtlingen legale und sichere Wege nach Europa zu eröffnen. In den EU-Auslandsvertretungen sollten Anlaufstellen für humanitäre Visa eingerichtet werden, sagte etwa der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer.

"Europa muss ermöglichen, dass Menschen nicht mehr ihr Leben riskieren, um bei uns Schutz zu suchen", erklärten der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, am Montag. Das vielfache Sterben sei ein "humanitärer Skandal".