Lutherisch, reformiert, uniert? Alles evangelisch!

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Kreise auf der Wasseroberfläche
Lutherisch, reformiert, uniert? Alles evangelisch!
Wenn ein Mensch in die katholische Kirche eintritt, dann wird er Teil der einen katholischen Weltkirche. Tritt hingegen ein Mensch in eine evangelische Kirche ein, dann tritt er in eine bestimmte Landeskirche ein, und zwar in die Kirche, auf deren Territorium er wohnt. Jede Landeskirche hat dabei ihr eigenes Profil.

Diese Struktur hängt mit der Reformation zusammen. Während im Süden des damaligen Deutschen Reiches der Einfluss von Reformatoren wie Ulrich Zwingli und Johannes Calvin besonders prägend war, empfing der Norden und Osten des heutigen Deutschlands seine wesentlichen Impulse von Martin Luther und Philipp Melanchthon. Man kann deshalb zwei wesentliche Linien unterscheiden, die von der Reformation ausgehen und das Profil heutiger Landeskirche bestimmen: die reformierte (Zwingli, Calvin) und die lutherische (Luther, Melanchthon) Prägung.

"Gesetz und Evangelium" nach lutherischer Linie

Die Theologie der lutherischen Linie ist durch die lutherischen Bekenntnisschriften bestimmt. Ein wichtiger Grundsatz lässt sich mit dem Begriffspaar „Gesetz und Evangelium“ beschreiben. Die Bibel enthält in all ihren Teilen jeweils Gesetzesworte und frohe Botschaft („Evangelium“). Das Gesetz konfrontiert den Menschen mit dem Willen Gottes. Es zeigt ihm, dass er mit seinem Streben nach Gewinn und Macht nicht so ist, wie Gott ihn haben will. Das Gesetz deckt somit auf, dass der natürliche Mensch ein Sünder ist. Das Evangelium aber spricht ihn gerecht. Gottes Liebe ist so groß, dass er dem Menschen vergibt und ihn trotzdem in seine Gemeinschaft aufnimmt. Dieser Vorgang der Rechtfertigung ist in der lutherischen Tradition der wichtigste theologische Grundsatz.

"Evangelium und Gesetz" nach reformierter Tradition

Innerhalb der reformierten Tradition gibt es keine vergleichbare gemeinsame Grundlage von Bekenntnissen. Wichtig sind hier der Heidelberger Katechismus von 1563 und die Barmer Theologische Erklärung von 1934. Das lutherische Begriffspaar „Gesetz und Evangelium“ lässt sich innerhalb der reformierten Tradition umstellen zu „Evangelium und Gesetz“. Damit ist gemeint, dass der Mensch erst durch das Wort der frohen Botschaft erkennen kann, dass er ein Sünder war und dass Gott ihn erst dazu fähig machen musste, auf sein Wort zu hören. Der Gedanke der Versöhnung von Gott und Mensch, die von Gott geschenkt wird, umgreift demnach die Vorstellung von der Rechtfertigung. Gott hat den Menschen von Anfang an in seine Gemeinschaft berufen und innerhalb dieser Gemeinschaft ist dem Menschen nun aufgetragen zu leben. Das Gesetz hilft ihm, dieses Leben zu gestalten.

Beide Traditionen prägten durch diese theologische Akzentsetzung verschiedene Formen des Gottesdienstes aus. Die lutherische Tradition behielt diejenigen Elemente der katholischen Messe bei, die der Rechtfertigungslehre nicht entgegen standen. Die reformierte Tradition hingegen übernahm nur das, was sich – nach damaligen Erkenntnisstand – ausdrücklich biblisch begründen ließ. Von daher ist die gottesdienstliche Tradition der lutherischen Landeskirchen liturgisch vielfältiger als die der reformierten, bei der die Predigt eine dominierende Stellung einnimmt. ###mehr-artikel###

Uniert in Verwaltung oder auch Bekenntnis

Im dritten Typus von evangelischen Kirchen fließen die lutherische und die reformierte Tradition zusammen. Im Kontext der Aufklärung und in den Wirren der napoleonischen Kriege waren in Deutschland die konfessionellen Territorien nicht mehr eindeutig abzugrenzen. Das führte dazu, dass zwischen lutherisch und reformiert geprägten Gemeinde Unionen geschlossen wurden. Einige Kirchen schlossen sich dabei nur verwaltungstechnisch zusammen („Verwaltungsunionen“), andere überwanden auch die innerevangelischen Differenzen hinsichtlich ihrer Bekenntnisse („Bekenntnisunionen“). Die unierten Kirchen stellen demnach theologisch und gottesdienstlich eine Mischform aus lutherischer und reformierter Prägung dar und dementsprechend sind in ihnen viele verschiedene Formen des Gottesdienstes anzutreffen.

Seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts gibt es also im Wesentlichen drei verschiedene Typen von evangelischen Landeskirchen in Deutschland, die sich wiederum zu Bündnissen zusammengeschlossen haben:

Vor allem in der Form des Gottesdienstes sind die gegenwärtig bestehenden Unterschiede zwischen den verschiedenen Typen von evangelischen Kirchen zu erleben. Im alltäglichen Leben evangelischer Christen dürften sie allerdings kaum noch zu spüren sein.

Einen guten Überblick über die kirchliche Landschaft in Deutschland bietet eine Karte auf der Webseite der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).