TV-Tipp des Tages: "Tatort: Das verkaufte Lächeln"

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TV-Tipp des Tages: "Tatort: Das verkaufte Lächeln"
TV-Tipp des Tages: "Tatort: Das verkaufte Lächeln", 28. Dezember, 20.15 Uhr im Ersten
Ein Familienvater unterhält eine Computerbeziehung zu einem 14jährigen Jungen, und offenbar tauschen sich die beiden bei ihren "Videochats" nicht nur über Fußball aus: Es gibt Menschen, die so etwas für pervers halten, und das werden nicht Wenige sein.

Aber wäre der Videopartner des Mannes kein Junge, sondern ein Mädchen, stellt Kommissar Leitmayr (Udo Wachtveitl) in diesem ausgezeichneten "Tatort" des Bayerischen Rundfunks mit Hinweis auf Vladimir Nabokovs Klassiker "Lolita" fest, wäre es Literatur.

Geschenke für sexuelle Handlungen

Es ist ein schmaler Grat, auf dem Autor Holger Joos und Regisseur Andreas Senn mit ihrem erfolgreich Film wandeln, und das aus vielerlei Gründen; unter anderem, weil sie, wenn sie das Thema glaubwürdig behandeln wollen, auch zeigen müssen, worum es geht. Spätestens seit dem Fall Edathy aber kann man kaum noch unbefangen junge Darsteller vor der Kamera posieren lassen, selbst wenn sie nicht völlig nackt sind; wer empfänglich für solche Reize ist, wird die Bilder dennoch als erotisch empfinden. Wie bei vielen Krimis besteht außerdem die Gefahr, dass man Jugendliche überhaupt erst auf die Idee bringt, sich ähnlich wie die Filmfiguren ein üppiges Taschengeld zu verdienen: Die drei Vierzahnjährigen, zwei Jungs und ein Mädchen, stellen sich Abonnenten auf verschlüsselten Websites zur Schau und lassen sich für sexuelle Leistungen mit Geschenken bezahlen.

Joos ist durch einen entsprechenden Zeitungsartikel zu seinem Drehbuch animiert worden. Er hat zuletzt mit "Unter Anklage: Der Fall Harry Wörz" einen Justizthriller geschrieben, und auch "Das verkaufte Lächeln" enthält eine juristische Ebene, denn nach geltendem Recht ist sehr zweifelhaft, ob ein Erotikchat mit einem Minderjährigen strafbar wäre. Für einen "Tatort" aber reicht das natürlich nicht; zum Krimi wird dieser Film mit dem ungemein treffenden Titel "Das verkaufte Lächeln", als einer der drei Jugendlichen erschossen aufgefunden wird. Für Ivo Batic (Miroslav Nemec), der das Verhalten des erwachsenen Computernutzers (Maxim Mehmet) in höchstem Maß befremdlich findet, besteht kein Zweifel daran, dass der Mann seinen jungen Videoschwarm ermordet hat; aus welchen Gründen auch immer.

Andreas Senn hat vor einigen Jahren einen der ersten deutschen Filme über die enorme psychische Belastung traumatisierter Bundeswehrsoldaten in Afghanistan gedreht ("Willkommen zu Hause", 2008). Entsprechend seriös behandelt er auch das diffizile Thema dieses "Tatorts". Dank des komplexen Drehbuchs steht zwar stets die Krimi-Ebene im Vordergrund, aber Joos und Senn gehen auch auf die Frage ein, welche Folgen es für eine Ehe hat, wenn eine Frau entdeckt, was ihr Mann heimlich an seinem Laptop treibt; ganz zu schweigen von der Bestürzung der betroffenen Eltern. Die Inszenierung ist auch dank der vorzüglichen Darsteller ohnehin jederzeit fesselnd; gerade die beiden Jugendlichen, Nino Böhlau und Anna-Lena Klenke, sind von Senn hervorragend geführt worden.

Spannend ist auch die "Cyber-Ebene", weil es von großer Bedeutung ist, gelöschte Daten zu rekonstruieren; nicht nur in dieser Hinsicht ist der versierte junge Kollege Kalli (Ferdinand Hofer) eine echte Verstärkung für die beiden Routiniers. Dass es Joos und Senn gelungen ist, ihren Film dem ernsten Thema zum Trotz um gelegentliche beiläufig eingestreute humorvolle Elemente zu bereichern, die keineswegs deplatziert wirken, ist ein weiterer Beleg für die Qualität von Buch und Regie; Bildgestaltung (Holly Fink) und Musik (Johannes Kobilke) runden "Das verkaufte Lächeln" zu einem herausragend guten "Tatort" ab, der kein gutes Ende nehmen kann.