TV-Tipp des Tages: "Sushi in Suhl" (ARD)

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TV-Tipp des Tages: "Sushi in Suhl" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Sushi in Suhl", 3. Dezember, 20.15 Uhr im Ersten
Ein Provinzkoch entdeckt die japanische Küche. Dass es sich bei der Provinz um eine thüringische Kleinstadt in den frühen Siebzigern handelt, führt naturgemäß zu diversen Verbalscharmützeln mit den zuständigen Repräsentanten der SED.

Wenn ein Film auf tatsächlichen Ereignissen basiert, wird das im Vorspann gern mitgeteilt. Falls es sich nicht gerade um bekannte historische Vorfälle handelt, ist dieser Hinweis meist so etwas wie ein Versprechen: Was nun folgt, ist eigentlich zu schräg, um wahr zu sein, doch es hat sich genauso abgespielt; oder zumindest so ähnlich. Aus Zuschauersicht spielt die Authentizität aber natürlich allenfalls eine Nebenrolle; Wahrhaftigkeit und innere Spannung sind viel wichtiger, und ausgerechnet daran ermangelt es "Sushi in Suhl" ein wenig.

Stets das gleiche Muster

Das liegt auch an der Überschaubarkeit der Geschichte, die sich in einem kurzen Satz zusammenfassen lässt: Ein Provinzkoch entdeckt die japanische Küche. Dass es sich bei der Provinz um eine thüringische Kleinstadt in den frühen Siebzigern handelt, führt naturgemäß zu diversen Verbalscharmützeln mit den zuständigen Repräsentanten der SED, aber gerade in Bezug auf die Skepsis der Gäste hätte dieser Film nicht anders ausgesehen, wenn ihn das Drehbuch von Jens-Frederik Otto und Carsten Fiebeler (auch Regie) im Schwarzwald angesiedelt hätte. Man kann den Autoren auch keineswegs Handlungsarmut vorwerfen, denn es passiert eine ganze Menge, aber das Muster ist stets das gleiche: Mit Schlitzohrigkeit und einer beeindruckenden Fähigkeit zur Improvisation gelingt es Rolf Anschütz (Uwe Steimle) immer wieder, den Vertretern (Thorsten Merten, Michael Kind) des staatlich geführten Einzelhandelsunternehmens HO ein Schnippchen zu schlagen und sein Wirtshaus nach und nach in ein japanisches Restaurant zu verwandeln.

Natürlich ist "Sushi in Suhl" eine Hommage an die Fantasie eines Mannes, der sich von den Kleingeistern der Partei nicht in seine Schranken weisen lässt. Warum Anschütz nicht einfach bloß japanisch kocht, sondern unbedingt auch noch das passende Ambiente dazu liefern will, wird zwar nicht ganz klar, aber selbstredend ist er als Freigeist im Vergleich zu den opportunistischen Funktionären der ideale Sympathieträger. Viele kleine Geschichten werden zudem bloß beiläufig erzählt. Anschütz’ Lokal zum Beispiel war im Besitz der Familie, bis sein entsprechend verbitterter Vater (Hilmar Eichhorn) enteignet wurde. Gleichfalls nebenbei geht auch die Ehe des Helden in die Brüche, weil er nur noch die japanische Küche im Kopf hat, dabei hätte dieser Erzählstrang (mit Julia Richter als Gattin, die sehr lange sehr viel Verständnis hat) mehr Tiefe verdient.

So aber erzählt Fiebeler mehrmals die gleiche Geschichte: Anschütz hat immer größere Pläne, die Partei sagt jedes Mal nein und am Ende doch ja, weil die von Deborah Kaufmann irritierend sinnlich verkörperte Berliner Vorgesetzte der regionalen HO-Mitläufer eine Chance sieht, mit Hilfe des Gastronomen endlich die angestrebten diplomatischen Beziehungen zu Japan knüpfen zu können. Das Schönste an diesem politischen Aspekt ist der menschliche Faktor: Anschütz freundet sich mit einem japanischen Gastdozenten (Gen Seto) der Uni Jena an, der ihn schließlich sogar nach Tokio einlädt.

Für einen Kabarettisten wie Uwe Steimle ist dieser Querdenker natürlich eine prima Rolle, die er auch ganz vorzüglich verkörpert: nicht als Helden, sondern als Träumer. Kameramann Gero Steffen liefert dafür die passenden Bilder: Viele Einstellungen sind komponiert wie ein Gemälde, das Licht des überwiegend aus Innenaufnahmen bestehenden Films ist von betörender Schönheit. Das optische Leitmotiv von "Sushi in Suhl", ein Kirschblütenblatt, das Anschütz am Ende tatsächlich nach Japan führt, provoziert jedoch geradezu die Assoziation zu "Kirschblüten – Hanami". Auf den ersten Blick mögen die Filme nicht viel miteinander gemeinsam haben, und doch gibt es von der Mission der Hauptfigur bis zu den vielen Japan-Aspekten viele Parallelen. Die große innere Kraft des Doris-Dörrie-Dramas aber erreicht Fiebelers Film nicht. Originell ist dagegen die selbstironische Note, die sich der Regisseur am Schluss erlaubt: Steimle ist derart auffällig in die Aufnahmen aus Tokio hineingestanzt, dass das nur Absicht sein kann. Anschütz nutzt den Ausflug in den fernen Osten auch keineswegs zur "Republikflucht", er will wieder zurück in seinen Thüringer Käfig: weil der Himmel für manche Vögel einfach zu groß sei.