Präses Kurschus: Flüchtlingsprobleme zu lange ignoriert

Präses Kurschus: Flüchtlingsprobleme zu lange ignoriert
Es sei falsch gewesen zu glauben, die Flüchtlingsproblematik könne an die Außengrenzen der EU verlagert werden. Auch die Kirchen hätten das "christliche Ur-Thema" Migration, Flucht und Vertreibung lange vernachlässigt.

Deutschland hat sich nach Ansicht der westfälischen Präses Annette Kurschus viel zu spät auf steigende Flüchtlingszahlen eingestellt. "Kapazitäten und Mittel wurden abgebaut statt vorsorglich aufgestockt", kritisierte sie am Montag vor der Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen in Bielefeld. Die sächsische Landeskirche stellt in einer Sofortmaßnahme bis zu 400.000 Euro für die Flüchtlingshilfe bereit.

"Diese realitätsverweigernde politische und gesellschaftliche Strategie ist in Lampedusa und anderswo furchtbar gescheitert. In den Flüchtlingsunterkünften in Burbach und Essen auch", sagte Kurschus. Vor der Mittelmeerinsel Lampedusa waren bei einer Bootstragödie vor gut einem Jahr 366 Flüchtlinge ums Leben gekommen. In den Unterkünften in Burbach und Essen sollen Flüchtlinge von Wachleuten misshandelt worden sein. "Wenn bei uns die menschenwürdige Unterbringung und Verpflegung von Flüchtlingen zu einer riesigen Herausforderung geworden ist und vor allem für die Kommunen zu großen Problemen führt, dann liegt das vor allem daran, dass wir viel zu lange meinten, die Flüchtlingsfrage an die Außengrenzen Europas delegieren zu können", sagte die Präses vor dem Kirchenparlament: "Die Menschen und ihre Schicksale hielten wir uns vom Leib."

Auch die Kirchen hätten "das geistlich-theologische Ur-Thema von Migration, Flucht und Vertreibung lange vernachlässigt", räumte die leitende Theologin der westfälischen Landeskirche ein. Viele Kirchengemeinden und die Diakonie engagierten sich aber in der Flüchtlingshilfe, in Einzelfällen auch durch Kirchenasyle. Die westfälische Kirche habe zudem vor einem Jahr Sondermittel in Höhe von 250.000 Euro zur Verfügung gestellt.

Die sächsische Landeskirche stellt auf Antrag der Landessynode in einer Sofortmaßnahme bis zu 400.000 Euro für die Arbeit mit Flüchtlingen bereit. Die Mittel würden im laufenden Haushalt berücksichtigt, teilte der Vorsitzende des Finanzausschusses der Landesssynode, Heinz-Hartwig Böhmer, am Montag in Dresden mit. Für die Vergabe der Gelder an die Gemeinden werde das Landeskirchenamt Leitlinien entwickeln. Im Sinne einer Willkommenskultur soll mit dem Geld projektbezogene Flüchtlingshilfe in den Kirchenbezirken und Kirchgemeinden angeregt und unterstützt werden.