Ausbau der Programme gegen sexuellen Missbrauch gefordert

Ausbau der Programme gegen sexuellen Missbrauch gefordert
Vor rund fünf Jahren kamen Tausende Missbrauchsfälle ans Licht, die Aufarbeitung durch Politik und Einrichtungen ist lange nicht abgeschlossen. Experten setzen vor allem auf Präventionskurse - denn die Nachfrage bei Medizinern und Pädagogen ist groß.

Um Kinder und Jugendliche besser vor sexueller Gewalt zu schützen, fordert der unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, Aus- und Fortbildungsprogramme zu stärken. Viele Fachkräfte wüssten im Verdachtsfall nicht, was sie tun sollten, sagte Rörig am Montag in Berlin. Pädagogen, Ärzte oder anderes Personal müssten die Strategien der Täter und Möglichkeiten der Prävention kennen.

Rörig äußerte sich bei der Vorstellung des E-Learning-Programms "Prävention von sexuellem Missbrauch". Der Kurs wurde von der Ulmer Universitätsmedizin entwickelt und richtet sich sowohl an Studierende als auch an Fachkräfte. In der Praxis fehle es häufig an Strukturen und Ressourcen, um Schutzkonzepte zu erarbeiten, sagte Rörig.

Der Ärztliche Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Ulm, Jörg Fegert, bestätigte, dass der Fortbildungsbedarf zum Thema Prävention und an Beratung sehr hoch ist. Ziel des Programms ist es demnach auch für die Teilnehmer Ansprechpartner zu sein, wenn der Ernstfall in der Praxis eintritt. 2.000 Fachleute haben am Testlauf teilgenommen. Mehr als 3.000 Personen haben sich für einen Folgekurs registriert. Ihre Aufgabe ist es auch, Fachkollegen aufmerksam zu machen.

Stefanie Merse, Ärztin an der Universität Duisburg-Essen und Absolventin des Programms, zufolge findet das Thema sexueller Kindesmissbrauch in der Ausbildung von Medizinern kaum Platz. Die Kombination von Präsenztagen und selbstständigem Lernen komme bei den angehenden Ärzten gut an, sagte Merse. Die Angebote müssten verstärkt werden. Als Arzt sehe man sich häufiger mit sexueller Gewalt konfrontiert als gedacht.

Der Beauftragte Rörig bekräftigte seine Forderung nach einer Kommission, die die Folgen sexuellen Missbrauchs langfristig aufarbeitet und vor allem den Betroffenen "besondere Aufmerksamkeit schenkt". Dem Beauftragten  zufolge könnte ein solches Gremium 2016 seine Arbeit aufnehmen. "Positive Signale" aus dem Familienministerium gebe es bereits.

Zudem forderte Rörig die Abgeordneten des Bundestags auf, sich für eine Debatte zum Thema einzusetzen. Anlass könnte der fünfte Jahrestag der Enthüllungen von Missbrauchsfällen in verschiedenen Einrichtungen in Deutschland sein. Eine solche Debatte im Januar 2015 über die Folgen und die Anerkennung der Belange der Betroffenen wäre laut Rörig ein Beitrag, die unabhängige Aufarbeitung sicherzustellen.

Das E-Learning-Programm wird vom Bundesbildungsministerium gefördert. In der Testphase war die Teilnahme am Programm kostenlos. Die Entwickler hoffen, dass dies auch künftig möglich sein wird.