Frieden schaffen auch mit Waffen?

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Frieden schaffen auch mit Waffen?
Eine Diskussion über das Unberechenbare der Kriege
Um Konflikte zu lösen, greifen Menschen seit Jahrhunderten zu den Waffen und führen Kriege. Warum eigentlich? Über bessere Strategien haben sich in dieser Woche Schüler und Experten in der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis ausgetauscht. Kriege sind menschenverachtend und nicht berechenbar. Ansätze für Frieden gibt es, doch es müssen auch neue Wege ausgelotet werden.

Es war ein Schnellkurs durch die Kriege des letzten Jahrhunderts. Was hat sich geändert in der Kriegsführung, in der Technologie, in der Strategie? Schmutzige Kriege, Drohnen, verdeckte Kriege mittels Organisationen vor Ort, die von außen angeleitet und ausgestattet werden. Über das wie und was haben sich die Podiumsgäste gestritten: Der ehemalige Bundeswehrsoldat Sven Behncke, der Zeit-Redakteur Gero von Randow, der Pastor und Friedensaktivist Sönke Wandschneider und Hans-Georg Ehrhart, Leiter des Zentrums für Europäische Friedens- und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg.

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Die Fragen der Schüler des Hamburger Goethe-Gymnasiums brachten die unterschiedlichen Positionen zu Tage. Waren sich in der Definition von Frieden die Diskutanten noch weitgehend einig: "Frieden ist die Abwesenheit von Krieg" und: Frieden sichern ist ein "Prozess", der nie endet, so gingen die Meinungen schon auseinander bei der Frage: Was wären die ersten Schritte gegen einen drohenden Krieg?

"Die Zivilbevölkerung ist heute Ziel der Kriegsführung"

Durch die zurückhaltende Moderation der Schüler aus der zwölften Klasse entwickelte sich auf dem Podium das Pro und Kontra. Während Sönke Wandschneider an den Frieden durch Abschaffung von Rüstungsexporten glaubte und sich gegen eine Beteiligung deutscher Soldaten an Auslandseinsätzen aussprach, war das den anderen Teilnehmern zu einseitig. Gero von Randow bemerkte, dass der Großteil deutscher Rüstungsexporte zwar in Spannungsgebiete geht. Er macht aber auch deutlich, wie sehr sich die Positionen verschieben können, etwa im Irak, wo viele Länder und Gruppen im Hintergrund agieren und am Konflikt beteiligt sind.

Schüler und Experten diskutieren über Strategien für den Frieden.

Aufmerksam verfolgten die Schüler die Schilderungen von Ex-Soldat Behnke, der im Kosovo und in Afghanistan im Sanitätsstab im Einsatz war. Schon im Kosovo wurden die Regeln des klassischen Krieges missachtet: Die Sanitäter, die ja die Verwundeten versorgten, mussten sich "mit Maschinengewehr verteidigen". Mittlerweile ist solches Vorgehen Praxis in jedem Krieg. "Wie aber geht man in eine Diskussion (mit Kriegsteilnehmern), wenn die Regeln der UN nicht akzeptiert werden?", gab Behnke zu bedenken. Hans-Georg Ehrhart vom Friedensinstitut legt nach: "Die vermeintlich schwächere Seite lebt von Überraschungsaktionen – wir nennen des Terrorismus – sie greifen zu allen Mitteln: Es wird ein schmutziger Krieg." Die Zivilbevölkerung sei heute Ziel der Kriegsführung. Ob in Irak, Syrien oder Afghanistan, ob in Vietnam vor 50 Jahren oder im Kongo vor fast 20 Jahren.

Teilnehmer: "Wir brauchen eine Weltpolizei"

Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer bei der Einschätzung der Bedrohung. Man müsse sich in den Kriegsgegner hineinversetzen können. "Also nicht sagen: Das ist das Reich des Bösen!" Stattdessen Empathiefähigkeit entwickeln und schulen und differenzieren, Hintergründe wahrnehmen. Unverzichtbar sei ein "Internationales Gewaltmonopol", eine Friedenstruppe, die aktiv wird, auch wenn mal ein Staat sein Veto einlegt – um es verkürzt zu sagen: eine Art Weltpolizei.

###mehr-links### Hans-Georg Ehrhart vom Friedensinstitut der Uni Hamburg warnte, man könne sich "Nicht auf große Organisationen verlassen." Stattdessen solle man sich auf regionale Player konzentrieren. "Regionale Kräfte sollen Lösungen erarbeiten – die sind besser informiert. Wir stellen den Konferenzort", als Teil der aktiven Diplomatie. Wie kompliziert Konflikte sind, zeige ja gerade die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS), die die Türkei beispielsweise zeitweilig unterstützt habe.

Die Schüler haken nach: Also Waffen schicken, ja oder nein? Die Experten sind sich uneinig. Militärische Hilfe für Kurden? Ja, sagt Gero von Randow. Das Argument, es gebe genug Waffen in der Region, finde er "zynisch", damit sei der Krieg nicht zu beenden

Von der philosophischen Fragestellung bis zur praktischen Politik reichte die Argumentationskette. Die Schüler der zwölfte Klasse des Goethe-Gymnasiums zeigten sich zufrieden mit dem Ergebnis: Das Hinsehen und Nachfragen sei ein hochspannender Prozess. Zwei Monate lang hatten sie sich im Politikunterricht mit Kriegsgeschehen und den Wegen zum Frieden auseinandergesetzt. Vielleicht können sie daraus ableiten, wo die eigene Verantwortung liege könnte, um Frieden zu schaffen.

###mehr-info### Jim Berend (18) meinte, es gebe zwar kein endgültiges Fazit, man müsse von Fall zu Fall unterscheiden, ob Waffen geliefert werden sollen. Verblüfft habe ihn, wie der Soldat davon erzählte, dass zumindest Teilziele erreicht werden, darüber bekomme man in den Nachrichten nicht so viel mit. Auch Marcel Krüger (18) stimmte überein, dass es keine wirkliche Lösung gibt, wenn der Krieg erst mal angefangen habe: "Wir können nur sehen, dass die alten Wege zum Frieden viele Schwächen haben und wir neue Wege brauchen und suchen müssen. Es bleibt eigentlich nur übrig, dass wir versuchen müssen, Kriegsursachen gar nicht erst aufkommen zu lassen und den Frieden zu stabilisieren."