TV-Tipp des Tages: "Ein offener Käfig" (ARD)

iStockphoto
TV-Tipp des Tages: "Ein offener Käfig" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Ein offener Käfig", 10. September, 20.15 Uhr im Ersten
Nach 15 Jahren Gefängnis hat ein Vergewaltiger eine positive Sozialprognose bekommen; wenn er regelmäßig seine Medikamente nimmt, stehen die Chancen nicht schlecht, dass er ein ganz normales Leben führen kann. Seine Mitmenschen aber lassen das nicht zu, für sie ist er immer noch ein "Sex-Monster", wie ihn die Boulevardpresse einst getauft hat.

"Wegsperren, und zwar für immer": Es war immerhin ein Bundeskanzler, der mit der Stammtischparole vielen Menschen aus der Seele gesprochen hat. Selbst wenn man theoretisch durchaus einsieht, dass auch Sexualstraftäter ein Recht darauf haben, wieder in die Gesellschaft eingegliedert zu werden: Bei der eigenen Nachbarschaft hört die Toleranz in der Regel auf. "Ein offener Käfig" erzählt so eine Geschichte: Nach 15 Jahren Gefängnis hat ein Vergewaltiger eine positive Sozialprognose bekommen; wenn er regelmäßig seine Medikamente nimmt, stehen die Chancen nicht schlecht, dass er ein ganz normales Leben führen kann. Seine Mitmenschen aber lassen das nicht zu, für sie ist er immer noch ein "Sex-Monster", wie ihn die Boulevardpresse einst getauft hat.

Es kommt, wie es kommen muss

"Ein offener Käfig" orientiert sich mit Ausnahme des Schlusses an Begebenheiten, die sich vor einigen Jahren im Städtchen Heinsberg der Nähe der holländischen Grenze zugetragen haben und die auch Gegenstand des Dokumentarfilms "Auf Teufel komm raus" (2010) waren. Natürlich möchte sich kein Zuschauer mit einem Sexualstraftäter identifizieren. Holger Joos, von dem auch das Drehbuch zu dem ausgezeichneten SWR-Drama "Unter Anklage: Der Fall Harry Wörz" stammt, hat daher nicht den früheren Straftäter, sondern dessen Halbbruder zum Protagonisten Geschichte gemacht: Robert (Oliver Mommsen) lebt in einer badischen Kleinstadt, er hat das Autohaus des Vaters übernommen und ist ein allseits beliebter Mitbürger. Damit ist es schlagartig vorbei, als eines Tages Georg (Martin Feifel) vor der Tür steht. Robert ahnt, wie sich die Dinge entwickeln werden, nimmt den Bruder aber trotzdem bei sich auf. Es kommt, wie es kommen muss: Als die Menschen rausfinden, welche Verbrechen Georg einst begangen hat, beginnt die Volksseele zu kochen. Freundschaften zerbrechen, die Brüder werden zusammengeschlagen, ein großes Schild an der Straße warnt Passanten: "Achtung Vergewaltiger". Schließlich scheinen sich die Befürchtungen zu bestätigen: Georg wird beschuldigt, einem jungem Mädchen aufgelauert zu haben.

Johannes Grieser (zuletzt "Für immer ein Mörder - Der Fall Ritter"), dessen zu Beginn des Jahres ausgestrahlter SWR-Thriller "In gefährlicher Nähe" ebenfalls auf einer Joos-Vorlage basierte, setzt das Drehbuch betont ruhig, sachlich und unspektakulär um. Der Film erzählt seine Geschichte über die handelnden Personen und somit auch über die Darsteller. Oliver Mommsen und Martin Feifel geben ein ausgesprochen glaubwürdiges Brüderpaar ab, zumal beide ausgezeichnet zu den Facetten ihrer Figuren passen: Robert hat ein schlechtes Gewissen, weil der ältere einst für einen Unfug bestraft wurde, den der jüngere begangen hatte. Damals hat Robert geschwiegen; heute beweist er Courage. Feifel wiederum ist schon allein wegen seiner physischen Präsenz eine hervorragende Wahl. Das Monster traut man ihm ohnehin zu, aber gleichzeitig versieht er den einst vom Vater regelmäßig regelrecht ausgepeitschten Georg mit einer großen Verletztheit; die entsprechenden Rückblenden werden sensiblen Zuschauern ziemlich an die Nieren gehen. 

Die wichtigen Nebenrollen sind gleichfalls glaubwürdig besetzt: mit Anna Schudt als Roberts schwangere Freundin, die erst schockiert ist, dann aber Loyalität beweist; mit Ole Puppe als Roberts Anwalt und Freund Micha, der aus Angst um die eigene Tochter einen miesen Plan ausheckt; und schließlich mit Catherine Flemming als Michas Frau, die in der bewegendsten Szene des Films offenbart, warum Georgs Gegenwart unerträglich für sie ist.

Um 22.45 zeigt die ARD zum selben Thema die Dokumentation "Wieder draußen". Autor Wolfgang Luck hat in der JVA Ludwigshafen einen Mörder besucht, der sich auf das Leben in Freiheit vorbereitet. Außerdem stellt er einen Sexualstraftäter vor, der 26 Jahre im Gefängnis verbracht hat.