Nach der Koranverbrennung: Die Unruhen verschärfen sich

Nach der Koranverbrennung: Die Unruhen verschärfen sich
"Tod für Amerika"-Rufe, Steinwürfen und eingeschlagenen Fensterscheiben: Die Proteste in Afghanistan gewinnen an Schärfe. Mindestens fünf Menschen sterben nach Angaben des britischen Senders BBC. Ob Polizei und Militär Schüsse abgaben, ist unklar. Die US-Botschaft und internationale Hilfswerke in Afghanistan sagten aus Sicherheitsgründen alle Reisen ab.

Bei Protesten gegen die Koran-Verbrennung durch US-Soldaten sind am Mittwoch in Afghanistan mindestens fünf Menschen getötet und Dutzende Verletzt worden. Obwohl der NATO-Oberbefehlshaber für Afghanistan, John Allen, und auch US-Verteidigungsminister Leon Panetta sich umgehend für das Verhalten der Soldaten entschuldigt hatten, hielten die anti-westlichen Demonstrationen auch den zweiten Tag in Folge an.

Nach Angaben afghanischer TV-Sender starben bei Auseinandersetzungen zwischen aufgebrachten Menschen und der Polizei in Kabul, Herat, Dschalalabad und der Parwan-Provinz fünf Menschen. Andere Quellen in Afghanistan berichteten sogar von acht Todesopfern.

Die Proteste hatten am Dienstag begonnen, nachdem Afghanen angekohlte Reste des Korans auf dem US-Stützpunkt Bagram, etwa 60 Kilometer von Kabul, gefunden hatten. Der Koran ist im Islam heilig. Das Buch zu beschädigen, gilt als eines der schlimmsten Vergehen. Der US-Kommandeur Allen sagte, dass die Exemplare des Koran "irrtümlich" in die Verbrennungsanlage geworfen worden seien.

Demonstranten in Kabul versuchten, in das NATO-Camp in Kabul einzudringen


Der UN-Beauftragte für Afghanistan, Jan Kubis, traf sich mit dem afghanischen Geistlichen Maulawi Kijamuddin Kaschaaf, um sein Bedauern über das Verhalten der US-Truppen auszudrücken. Es sei ein trauriger Fehler, der die religiösen Gefühle der Menschen verletzt, sagte Kubis. Auch Afghanistans Präsident Hamid Karsai verurteilte die Koran-Verbrennung und forderte eine Untersuchung.

Demonstranten in Kabul versuchten am Mittwoch, in das NATO-Camp Phoenix in Kabul einzudringen. Auch ein Häuser-Komplex, in dem Ausländer leben, soll angegriffen worden sein. Augenzeugen berichteten von "Tod für Amerika"-Rufen, Steinwürfen und eingeschlagenen Fensterscheiben. Ob Polizei und Militär Schüsse abgaben, wurde zunächst nicht bestätigt.

Die US-Botschaft und internationale Hilfswerke in Afghanistan sagten aus Sicherheitsgründen alle Reisen ab. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, Stefan Paris, sagte, es gebe bisher keine Vorkommnisse im Zuständigkeitsbereich des deutschen ISAF-Einsatzes in Afghanistan.

Der Koran wird von den Taliban als Mittel genutzt, um geheime Nachrichten zu übermitteln


In Bagram ist auch ein Gefängnis, in dem radikal-islamische Taliban als Verdächtige gefangen gehalten werden. Angeblich hatten Wachleute geglaubt, Häftlinge nutzten den Koran aus der Bibliothek, um Botschaften auszutauschen. Der Koran wird von den Taliban als Mittel genutzt, um geheime Nachrichten zu übermitteln. Nach anderen Darstellungen soll es sich aber um neue Bücher gehandelt haben.

Die "New York Times" berichtete, Kommandeur Allen habe Schulungen  über den richtigen Umgang mit "religiösem Material" für alle Soldaten in den nächsten zehn Tagen angeordnet. Afghanische Beamte und ausländische Diplomaten seien schockiert, dass es immer noch US-Soldaten gebe, denen zehn Jahre nach Beginn des Afghanistan-Krieges die Bedeutung des Koran nicht bewusst sei.

Im April 2011 hatte die Koran-Verbrennung eines US-Predigers in Florida wütende Proteste in Afghanistan ausgelöst. Elf Menschen kamen ums Leben, als ein Mob in Masar-i-Scharif, im Norden Afghanistans, das Büro der Vereinten Nationen stürmte - unter den Toten waren auch sieben ausländische UN-Mitarbeiter. Im südafghanischen Kandahar wurden bei Ausschreitungen neun Menschen getötet und mehr als 80 verletzt.

epd