Yunus: "Das Finanzsystem darf kein Club für Reiche sein"

Yunus: "Das Finanzsystem darf kein Club für Reiche sein"
Die "Occupy"-Bewegung ist nach Ansicht des Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus die Folge einer falschen Ausrichtung der Finanzmärkte.

Statt auf Gewinnmaximierung müssten sich Banken darauf konzentrieren, allen Menschen Zugang zum Geldfluss zu ermöglichen, forderte Friedensnobelpreisträger Yunus am Freitag in Frankfurt. "Das Finanzsystem darf kein exklusiver Club für reiche Menschen sein." Probleme wie Arbeitslosigkeit seien in der Wirtschaft bislang vernachlässigt worden.

Yunus erhielt 2006 den Friedensnobelpreis zusammen mit der von ihm gegründeten Grameen Bank. Aus seiner Idee, in Bangladesch Kleinstkredite an Arme zu vergeben, wurde eine weltweit rasant wachsende Branche. Die Finanzkrise habe bei der Grameen Bank nicht zu Zahlungsausfällen geführt, betonte Yunus. "Arme Menschen sind die besten Schuldner." Das gelte auch in Extremsituationen.

Probleme lösen, nicht Gewinne erzielen

Auch die Mikrofinanzbranche krankt nach Yunus' Einschätzung an dem Streben nach Gewinnmaximierung. "In dem Moment, in dem Menschen mit Mikrokrediten Geld verdienen wollen, sind Mikrokredite am Ende." Er habe seine Bank gegründet, um Probleme zu lösen, nicht um Gewinne zu erzielen. 2010 geriet der Mikrofinanz-Sektor international in die Kritik, nachdem im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh Dutzende überschuldete Kreditnehmerinnen Selbstmord begangen hatten. Medienberichten zufolge wurden sie durch aggressive Geldeintreibetechniken in den Tod getrieben.

Die schnelle Expansion der Branche in Indien habe dort zu Fehlentwicklungen geführt, sagte Yunus. Die Kreditgeber hätten zu aggressiv versucht, ihre Gewinne zu maximieren. Er forderte eine stärkere Regulierung von Banken für Arme, um Transparenz zu schaffen. "Es werden heute viele Mikrokredite angeboten, die nach meinem Verständnis keine sind", sagte Yunus. Es sei wichtig, eine klare gesetzliche Definition zu schaffen.

Sorge um Zukunft der Grameen Bank

Yunus drückte auch seine Sorge über die Zukunft der Grameen Bank aus. Der 71-Jährige wurde im März offiziell aus Altersgründen von der Zentralbank Bangladeschs als ihr Direktor abgesetzt. Kritiker vermuten dahinter eine politische Entscheidung. In einem Brief an seine Kollegen und die Kreditnehmer hatte Yunus die Befürchtung geäußert, die Regierung wolle die Grameen Bank verstaatlichen. Sie hält derzeit einen Anteil von 25 Prozent an dem Institut.

Die Grameen Bank vergibt seit 1983 Kleinstkredite an Selbsthilfegruppen, die zumeist aus armen Frauen bestehen. Zudem können die Kreditnehmer kleine Beträge auf Sparkonten einzahlen und verschiedene Versicherungen abschließen. Heute hat die Bank unter anderem Filialen in China und den USA.

epd