Menschenrechte sind ein Dauerthema im Iran

Menschenrechte sind ein Dauerthema im Iran
Sein Fall hat nun auch verstärkt die deutsche Öffentlichkeit erreicht: Jüngst hat sogar Amnesty International für Youcef Nadarkhani eine Aktion gestartet, um seine Hinrichtung zu verhindern. Der christliche Gemeindeleiter wurde wegen des Abfalls vom Islam 2010 zum Tode verurteilt. Seitdem richtet sich das Augenmerk zunehmend auf die Lage der Christen im Iran.
18.10.2011
Von Thorsten Leißer

Bereits im Dezember 2010 war auch das Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aktiv geworden. In einem Schreiben an den iranischen Botschafter in Deutschland forderte der EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte die Aufhebung des Todesurteils und eine umgehende Freilassung Nadarkhanis. Wie in vielen Angelegenheiten, die den Iran betreffen, so ist auch in diesem Fall die Nachrichtenlage jedoch mehr als unübersichtlich.

Gefängnisfoto von Pastor Youcef Nadarkhani, der wegen Abfalls vom Islam zum Tode verurteilt ist. Foto: ACLJ.org.

Seit Anfang Oktober kursiert nun eine Pressemeldung der iranischen Botschaft in Berlin, wonach Anschuldigungen gegen Nadarkhani nicht wegen des Abfalls vom Islam, sondern aufgrund von "Aktivitäten gegen die Sicherheit des Landes" erhoben worden sein sollen. Die hätte bisher aber nicht zu einem Todesurteil geführt. Anderslautende Meldungen wurden als "Erfindung offizieller und inoffizieller politischer Stellen" abgetan, wobei offen bleiben muss, was darunter zu verstehen ist. Dessen ungeachtet führen viele Organisationen – vor allem aus dem evangelikalen Spektrum – ihre Kampagnen weiter, zeige dieser Fall doch, dass es um die Religionsfreiheit in diesem Land schlecht bestellt ist. 

Willkürliche Verhaftungen sind an der Tagesordnung

Tatsächlich sind Menschenrechtsverletzungen im Iran ein Dauerthema. Nicht erst seit der "Grünen Bewegung" im Jahr 2009 wird das harte Vorgehen staatlicher Gewalt gegen Führungspersonen der säkularen politischen Opposition von Menschenrechtsorganisationen mit großer Sorge beobachtet. Auch sind stetige Repressionen gegen iranische Menschenrechtsverteidiger in Form von willkürlichem Hausarrest, Verhören und Inhaftierungen ohne Rechtsgrundlage weiterhin an der Tagesordnung.

Amnesty International berichtet im aktuellen Report zur weltweiten Lage der Menschenrechte von weitreichenden Einschränkungen der Meinungsfreiheit durch iranische Behörden. Frauenrechtlerinnen wurden demnach ebenso verhaftet wie Journalisten, Studierende und Rechtsanwälte, die sich für die Belange von ethischen oder religiösen Minderheiten einsetzen.

Zwischen Anerkennung und Schikane

Besonders die Situation von religiösen Minderheiten stellt sich im Iran sehr komplex dar. Während die historischen christlichen Kirchen wie etwa die Armenisch-Orthodoxe oder die mit Rom unierte Chaldäische Kirche anerkannt sind und festgeschriebene Rechte haben – bis hin zu garantierten Sitzen im iranischen Parlament – sieht es beispielsweise für Angehörige der Baha'i deutlich schlechter aus. Diese Minderheit mit über 300.000 Gläubigen leidet schon seit vielen Jahren an brutalen Verfolgungsmaßnahmen.

Nach Angaben des Nationalen Geistlichen Rates der Bahai in Deutschland sind derzeit 122 Bahai inhaftiert, weitere 96 stehen unmittelbar vor dem Beginn einer Haftstrafe und 199 Personen erwarten ihre Verurteilung. Aber auch innerhalb der muslimischen Mehrheitsbevölkerung gibt es Diskriminierungen. So sind Sunniten und Derwische ebenfalls staatlichen Schikanen ausgesetzt und müssen immer wieder mit Festnahmen und Beschädigung ihrer Gebetshäuser rechnen. Seitens der im weitesten Sinne reformatorischen Kirchen bekommen die so genannten "neuen" Kirchen im Iran große Probleme. Dabei handelt es sich um Gemeinden, die aus charismatischer und pfingstkirchlicher Evangelisation erwachsen und hauptsächlich aus muslimischen Konvertiten bestehen.

Da sowohl das Missionieren als auch der Abfall vom Islam im Iran unter Strafe gestellt ist, kommt es immer wieder zu einem massiven Vorgehen gegen diese oft als Hausgemeinden organisierten Gruppen und deren Leiter. Die EKD-Gemeinde in Teheran hingegen gilt als historisch anerkannt. Sie unterhält ein eigenes Kirchengebäude und kann in dem staatlich gewährten Rahmen frei wirken. Es bestehen jedoch keine Kontakte zu ausländischen Missionswerken und deren Gemeindegründungen, was es kirchlichen Stellen immer wieder enorm erschwert, sich – wie im Falle Nadarkhanis – bei akuten Bedrohungen hilfreich einzuschalten.

Religionsfreiheit ist Menschenrecht

Für den Iran bleibt festzuhalten, dass in der Beurteilung fundamentaler Menschenrechte wie der Religionsfreiheit ein Dilemma besteht: Einerseits genießen einige religiöse Minderheiten bestimmten Privilegien, während andere Gruppen starken Verfolgungsmaßnahmen unterliegen. Das staatliche Verbot von Missionstätigkeiten widerspricht eindeutig Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte; zugleich nötigt es zu einem sensiblen Umgang mit dem christlichen Verkündigungsauftrag.

Aktuelle Bemühungen des Ökumenischen Rates der Kirchen hin zu einem kultursensiblen Missionsverständnis weisen in die richtige Richtung. Es bleibt zu hoffen, dass durch die weitgehende Verständigung auf einen so genannten "Code of Conduct" sich die Lage der Minderheiten im Iran nicht weiter verschärfen und die Religionsfreiheit dennoch zu ihrem Recht kommen wird.


Oberkirchenrat Thorsten Leißer ist Referent für Menschenrechte und Migration im Kirchenamt der EKD.