Moscheen: Vertrauensbildende Maßnahmen sind nötig

Moscheen: Vertrauensbildende Maßnahmen sind nötig
Heute wird bundesweit der Tag der offenen Moschee begangen. Eine Gelegenheit für Neugierige, die Imame nach islamischer Frömmigkeit auszufragen - und für Skeptiker, mit Muslimen ins Gespräch zu kommen. Der Dialog ist wichtig: Nur 40 Prozent der Westdeutschen und nur 16 Prozent der Ostdeutschen haben Kontakte zu Muslimen.
02.10.2011
Von Canan Topçu

Das Wetter könnte den Gastgebern ein Strich durch die Rechnung machen. Gut möglich, dass sich an einem sonnigen Spätsommertag die Menschen eher draußen aufhalten möchten als ihren Fuß über die Schwelle einer Moschee zu setzen. Wenn also am Montag bundesweit muslimische Moscheegemeinden in ihre Räume einladen, um ein Einblick in ihren Glauben und ihre Kultur zu geben, dann werden sie wohl mit der Sonne konkurrieren.

Von Kiel bis Konstanz, von Castrop-Rauxel bis Chemnitz findet am Tag der deutschen Einheit wieder der Tag der offenen Moschee statt. Als TOM hat sich dieser Tag nicht so richtig durchgesetzt; jedenfalls nicht als Kürzel, den der Koordinierungsrat der Muslime (KRM) dieser Aktion gegeben hat. Anders hingegen verhält es sich mit dem, wofür TOM steht. Inzwischen beteiligen sich daran hunderte von islamischen Gemeinden. Angeschlossen haben sich dieser Initiative, die der Zentralrat der Muslime (ZRM) vor nunmehr 15 Jahren startete, auch Gemeinden anderer muslimischer Organisationen und unabhängige Moscheevereine.

Das Motto 2011: "Muhammad – Prophet der Barmherzigkeit"

Der KRM als Zusammenschluss der vier muslimischen Dachverbände bestimmt jedes Jahr ein neues Motto, diesmal lautet es "Muhammad – Prophet der Barmherzigkeit". In Vorträgen in den Moscheegemeinden soll das Leben des Religionsstifters und seine Bedeutung im islamischen Glaubensgebäude erläutert werden. "Wir hoffen, mit dieser Aktion unseren Mitbürgern eine andere Sichtweise auf den Propheten und den Islam zu ermöglichen", erklärte KRM-Sprecher Aiman Mazyek. Die zentrale Veranstaltung findet in diesem Jahr in Porz statt und beginnt um 15.30 Uhr in der Mevlana DITIB Moschee. Ein Grußwort sprechen wird unter anderem Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates.

Besucher beim Tag der offenen Moschee in Frankfurt-Preungesheim. Foto: Christoph Boeckheler.

Auf der Internetseite www.tagderoffenenmoschee.de sind rund 700 islamische Gemeinden aufgeführt, die sich am TOM beteiligen. Es dürften aber weit mehr sein, denn die Liste ist unvollständig; so machen beispielsweise in Frankfurt am Main nicht sieben, sondern 17 Moscheegemeinden mit. Mehr als 100.000 Besucher folgten nach Mitteilung des KRM im vergangenen Jahr der Einladung der muslimischen Vereine. Als der Zentralrat der Muslime (ZRM) 1997 diesen Tag ausrief, wurde es von den Medien und somit auch von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen; den meisten lokalen Medien war es nicht einmal eine Meldung wert. Nunmehr gehören sowohl Ankündigungen des TOM als auch Reportagen zum festen Bestandteil überregionaler Berichterstattung. Diese Aktion schafft es sogar in die Hauptnachrichten im Fernsehen.

Die Zahl der Gäste hängt zweifelsohne von der Stimmungslage im Land ab. Als der ZRM den Tag der offenen Moschee ausrief, ging es darum, "den Dialog mit der Mehrheitsgesellschaft und die Öffnung der muslimischen Community zu fördern", erklärt rückblickend ZRM-Generalsekräterin und TOM-Sprecherin Nurhan Soykan. Bis vor zehn Jahren war die Stimmung im Lande noch eine andere. Zwar gab es immer wieder auch Anfeindungen gegen Menschen islamischen Glaubens, im Großen und Ganzen führten aber die einst als Gastarbeiter nach Deutschland eingewanderten Muslime und ihre Nachkommen ein eher unscheinbares Leben. Manch ein Bundesbürger hatte zwar mitbekommen, dass es so genannte Hinterhofmoscheen gab, aber so richtig interessierten sich eine eher kleine Öffentlichkeit für das religiöse Leben der Muslime in diesem Land. Auch die Politik war mit dem Phänomen "Muslime und Moscheen" nur am Rande befasst.

Mehr Besucher nach dem 11. September und Sarrazins Buch

Das änderte sich nach den islamistischen Terroranschlägen vom 11. September 2001. Nach diesen Attentaten wuchs das Misstrauen gegen Muslime, aber auch die Neugier und das Interesse, sich eine islamische Gebetsstätte von innen anzuschauen und sich ein eigenes Bild vom religiösen Leben der Muslime zu machen. Als Moscheegemeinden gerade mal zwei Wochen nach den Terroranschlägen in den USA am 3. Oktober 2011 ihre Türen öffneten, war der Besucherandrang überwältigend. Auch in den ersten Jahren nach dem "11. September" blieb das Bedürfnis groß, sich vor Ort zu informieren.

Kaum hatte das Interesse abgeflaut, sorgte Thilo Sarrazin für Besucherandrang. Seine umstrittenen Thesen darüber, dass muslimische Migranten häufiger straffällig würden, sich nicht in die Gesellschaft integrierten und mehr Kosten verursachten als sie Nutzen brächten, breitete er in seinem Ende August 2010 erschienenen Buch in "Deutschland schafft sich ab" aus und bereitete den muslimischen Gemeinden am Tag der offenen Moschee viele Gäste. Inzwischen hat sich der TOM etabliert, finden sich in den Moscheegemeinden Besuchergruppen ein. Mancherorts wird solch eine Visite sogar als Lehrerfortbildung angeboten.

Zwar halten sich die Moscheegemeinden, die sich an dieser "vertrauensbildenden Maßnahme" beteiligen, an das gemeinsame Motto, sie stellen aber ihr Programm selbst zusammen. Das Angebot ist sehr unterschiedlich. Manche Gemeinden bieten nur Führungen durch ihre Gebetsstätten an, andere zudem Speisen, Getränke und Gespräche. Und je nach je nach finanziellen und personellen Ressourcen gibt es sogar gemeinsames Abendessen, Podiumsdiskussionen mit Experten und Vorträge. Der TOM ist, und darauf weist der KRM ausdrücklich hin, nur eines der Angebote der Moscheegemeinden. Die meisten Gemeinden seien in Dialoggremien engagiert und setzten sich in gesellschaftspolitischen Fragen ein. "Sie sind wichtige Partner in der Lokalpolitik", so TOM-Sprecherin Nurhan Soykan.

Hardliner versuchen, Muslime in die Ecke zu drängen

Zweifelsohne wagen vor allem jene den Weg in die muslimischen Gemeindezentren, die an ihren muslimischen Nachbarn interessiert und unvoreingenommen sind. Aber auch Bürger, die von der Sorge geplagt sind, dass der Islam als vermeintlich kriegerische, undemokratische und frauenfeindliche Religion das politische und gesellschaftliche Leben dominieren könnte, nehmen das Angebot wahr - wie auch Islamskeptiker und -kritiker, die sich in ihre eigenen Standpunkte nicht festgebissen haben. Die Hardliner hingegen lassen sich, wenn überhaupt, mit der Absicht blicken, die Muslime und die Moscheevertreter in die Ecke zu drängen.

Arabische Bücher in einer Moschee. Foto: Christoph Boeckheler.

Damit ist ein Problem angesprochen, das nicht nur im Bezug auf Islamkritiker relevant ist. Denn es ist kein Geheimnis, dass Moscheevertreter vielerorts den intellektuellen Debatten nicht gewachsen sind, auch aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse. Insofern ist es wichtig, dass die muslimischen Gastgeber darauf achten, sachkundige Referenten als Dialogpartner ins Programm aufzunehmen. Denn Redner, die Halbwissen und Gemeinplätze von sich geben, können mehr Schaden anrichten als dass sie zur Verständigung beitragen.

"... der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland"

Als der ZRM den TOM ins Leben rief, fiel die Entscheidung ganz bewusst auf den Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober. "Damit sollte die Zugehörigkeit der Muslime zur Einheit Deutschlands deutlich gemacht werden", heißt es. Was wiederum nicht bei allen auf Wohlwollen stößt. Als "unsensiblen" und "unpassend" kritisierte etwa die hessische CDU die Wahl dieses Datums. Dass Muslime zu Deutschland gehören, darauf wies am 3. Oktober 2010 Bundespräsident Christian Wulff hin. "Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland, das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland, aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland", sagte Wulff in seiner Rede zum Jahrestag der deutschen Einheit.

Wie auch Wolfgang Schäuble, der als Bundesinnenminister 2006 zum Auftakt der Deutschen Islamkonferenz erklärt hatte, dass der Islam "inzwischen Teil Deutschlands" sei, wollte Wulff ein Signal setzen. Und wie Schäuble erntete Wulff nicht nur Lob für seine Aussage. Wie sehr aber Signale seitens hochrangiger Politiker und vertrauensbildende Maßnahmen der Muslime notwendig sind, zeigt unter anderem eine Studie der Universität Münster, die in Kooperation mit dem EMNID-Institut im vergangenen Jahr veröffentlich wurde. Demnach haben lediglich 40 Prozent der Westdeutschen und nur 16 Prozent der Ostdeutschen zumindest einige Kontakte zu Muslimen. Und eine andere, jüngst veröffentlichte Untersuchung brachte zu Tage, dass auch Schulbücher Vorurteile gegenüber Muslimen und Islamfeindlichkeit schüren.

Eine Möglichkeit, dem vorzubeugen, ist also das gegenseitige Kennenlernen. Der Tag der offenen Moschee wiederum ist nur eine der Möglichkeiten, dem nachzukommen. Denn die Türen der muslimischen Gemeinden sind "nicht nur am TOM geöffnet, sondern jeden Tag". "Jeder ist willkommen, auch wenn er nur ausruhen möchte oder Fragen hat", betont Nurhan Soykan.


Canan Topçu ist Journalistin und widmet sich seit vielen Jahren den Themen Migration, Integration und Islam. Sie lebt in Hanau und arbeitet für unterschiedliche Medien.