Benedikt in Berlin: "Man sieht ja gar nichts"

Benedikt in Berlin: "Man sieht ja gar nichts"
Egal, ob sie den Papst sehen wollen, der am Vormittag am Flughafen Tegel eintrifft und am Nachmittag im Bundestag spricht, oder ob sie durch die zahlreichen Staus zur Arbeit unterwegs sind: Der Papstbesuch in Berlin sorgt für schöne Fernsehbilder, dafür aber auch für Verkehrschaos und manchen enttäuschten Pilger.
22.09.2011
Von Lukas Philippi

An diesem Tag sind in Berlin alle etwas länger unterwegs. Es herrscht Sicherheitsstufe eins in der Bundeshauptstadt. 6.000 Polizisten sind im Einsatz, zahlreiche Straßen sind gesperrt - fast nichts geht mehr in der Innenstadt. Dennoch hat sich Josef Hermann Netzer schon am Donnerstagmorgen auf den Weg gemacht. Der 65-Jährige ist ein erklärter Papst-Fan: "Ich habe seine Bücher gelesen." Der Wahlspruch "Totus tuus" (lateinisch: alles dein) von Johannes Paul II., dem polnischen Vorgänger Benedikts XVI., prangt an seinem Jackett. Netzer will die Landung von Benedikt in Tegel miterleben. Erst ist schon am Vorabend vom Bodensee angereist.

Im Treppenhaus vor der aus Sicherheitsgründen verschlossenen Aussichtsterrasse am Flughafen haben sich rund 50 Menschen versammelt. Als vier Kampfjets in Formation als Vorhut der Alitalia-Maschine über Tegel hinwegfliegen, rufen einige Schaulustige "det is er". Kameras werden in Anschlag gebracht.

Gegendemo? "Das ist doch nur eine Minderheit"

Vor einer Abflughalle stehen in Tegel rund 30 Papstgegner, umringt von Polizisten. Ein Redner fordert "Schluss mit der Hofierung der christlichen Kirchen". Auf einem Transparent steht: "Hätte Maria abgetrieben, wär' uns das erspart geblieben!" Die Initiative nennt sich "What the fuck!" und will das katholische Kirchenoberhaupt am Abend vor der päpstlichen Nuntiatur "um den Schlaf bringen".

Netzer ist enttäuscht, "man sieht ja gar nichts", aber so sei das halt in Berlin. Der Papstflieger rollt zum militärischen Teil des Airports. "Das war in München anders", sagt Netzer, der den Pontifex bereits einmal in der bayerischen Hauptstadt auf dem Flugfeld aus der Nähe gesehen hat. Mehr sehen wartende Fluggäste in einem Bistro am Bildschirm. Aber auch dort ist das Interesse eher gering. Auf der Tageskarte steht "Ceasar's Salad". Und dann ist Netzer weg, unterwegs zur nächsten Station des Papstes: Schloss Bellevue, der Sitz des Bundespräsidenten.

Vereinzelt und in Gruppen stehen hier Schaulustige. Die Sonne scheint. Der Eingang zum Sitz von Bundespräsident Christian Wulff ist in etwa 500 Meter Entfernung auszumachen. Oliver Rothe wartet auf den Papst. Der angehende Priester ist aus Münster nach Berlin gekommen, "um Unterstützung zu zeigen", sagt er. Bisher habe Benedikt bei Besuchen "alle seine Kritiker überzeugt". Dies werde ihm auch jetzt gelingen, ist sich Rothe sicher. Und die Gegendemo? Rothe winkt ab: "Das ist doch nur eine Minderheit." Wenige Meter von ihm entfernt verteilt ein Papst-Double Kondome, Werbung für eine Dating-Agentur: "Das Leben ist kurz. Gönn' Dir eine Affäre" steht darauf.

Proben seit Tagen für den großen Tag

Tausende von katholischen Pilgern sind bereits am Mittwoch in der Bundeshauptstadt eingetroffen. Sie kommen aus allen Ecken Deutschlands, aber auch aus dem Ausland wie etwa Polen und der Ukraine. Mehrere katholische Schulen haben ihre Türen als Nachtquartiere geöffnet. Die Schüler haben für den Papstbesuch frei bekommen. Auch in katholischen Gemeindehäusern kommen Papst-Anhänger unter. Bis Donnerstagnachmittag treffen weitere Pilger mit zwei Sonderzügen aus München und Nürnberg in Berlin ein.

Seit Tagen laufen im Olympiastadion die Proben für den Gottesdienst: 600 Priester, 1.500 Ministranten, 750 Sänger, dazu Hunderte Sanitäter und noch mehr Sicherheitsleute. Die neunjährige Sarah nimmt das alles gelassen. Eher ist schon die Mutter der Chorsängerin gestresst, die seit einer Woche nur noch mit Chauffeurdiensten für ihre Tochter beschäftigt ist. Nicht nur jeder Ton, die gesamte Choreographie der Messe muss stimmen.

Josef Hermann Netzer, der Pilger vom Bodensee, ist auch dabei. Er hat eine der begehrten 70.000 Eintrittskarten für das Olympiastadion. Zumindest hier kann er Papst Benedikt XVI. endlich sehen. Außerdem will der 65-Jährige auch nach Freiburg, wo der Pontifex am Samstag erwartet wird.

epd