"Ich werde mir die Papstrede interessiert anhören"

"Ich werde mir die Papstrede interessiert anhören"
Darf ein religiöses Oberhaupt im Bundestag sprechen? Die Diskussion um den bevorstehenden Auftritt von Papst Benedikt XVI. im deutschen Parlament sorgt für Zwist. Viele Abgeordnete wollen der Rede fernbleiben, darunter etwa die Hälfte der Linksfraktion. Nicht so Kornelia Möller, die bis vor kurzem Mitglied der katholischen Kirche war. Im Gespräch mit evangelisch.de schildert sie ihre Erwartungen an den Papst - und was er sagen würde, schriebe sie ihm die Rede.
15.09.2011
Die Fragen stellte Bernd Buchner

Frau Möller, freuen Sie sich auf die Papstrede im Bundestag?

Möller: Was heißt freuen? Ich werde sie sehr interessiert anhören, weil ich sehr gerne wissen möchte, was uns der Papst in dieser sehr schwierigen gesamtgesellschaftlichen Situation auf den Weg zu geben hat.

Die Diskussion über den Auftritt im Parlament wird relativ heftig geführt. Hatten Sie das erwartet?

Möller: Es hat mich ein bisschen überrascht, aber wenn ich darüber nachdenke, hätte es mich eigentlich nicht überraschen dürfen. Es war klar, dass es so kommt.

Haben Sie Verständnis für die Proteste?

Möller: Ja. Sie wissen, dass ich aus der katholischen Kirche ausgetreten bin, weil ich Kritik am Papst und der Kirche in verschiedenen Punkten habe. Da ist zum einen Opus Dei - Benedikt XVI. hat für meinen Geschmack eine Nähe zu dieser Organisation, die er nicht haben dürfte. Da ist der Umgang mit den Opfern und Tätern sexueller Gewalt, den ich nicht gutheißen kann. Da ist ferner die Ausgrenzung von homosexuellen Christen, und es ist natürlich der Umgang mit Verhütung, gerade im Zusammenhang mit Aids. Das sind schwere Kritikpunkte, die ich teile. Von daher habe ich Verständnis für Protest, natürlich.

Glauben Sie, dass die Fragen, die Sie angesprochen haben, bei der Rede am Donnerstag eine Rolle spielen werden?

Möller: Ich kann das nicht abschätzen, hoffe aber, dass der Papst darauf eingeht. Er müsste klare Worte sprechen - für ein Miteinander und für einen verantwortlichen Umgang gerade mit den Menschen, die Unterstützung brauchen. Wir brauchen klare Worte gegen Ausgrenzung, auch zum Beispiel gegen die Ausgrenzung der Menschen in Griechenland. Wo setzt Ausgrenzung an, wo setzt ein verantwortliches und fürsorgliches Miteinander an? Das sind nur verschiedene Seiten der gleichen Medaille.

Kornelia Möller, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei. Foto: privat

Sie sind zwar aus der katholischen Kirche ausgetreten, aber weiterhin Christin.

Möller: Ja, auf jeden Fall.

Welche Rolle spielen Christen in der Linksfraktion?

Möller: Wir haben eine Arbeitsgemeinschaft "Christen in der Linken!, die sehr aktiv ist. Ich selbst gehöre ihr aber nicht an. Christliche Werte spielen eine große Rolle in der Linken, denn christliche, soziale und auch sozialistische Werte gehören für mich persönlich zusammen und überschneiden sich. Fragen von Frieden und sozialer Gerechtigkeit betreffen mich sowohl als Christin wie auch als demokratische Sozialistin.

Ist die Schnittmenge von kirchlichen Positionen und linker Politik nicht größer als früher?

Möller: Ich glaube schon. Während des vergangenen Bundestagswahlkampfes habe ich in Regensburg mit jungen Christinnen und Christen gesprochen und über unser Wahlprogramm diskutiert. Es gab große Übereinstimmungen - ich würde sagen, zu 98 Prozent waren wir einer Meinung.

Zurück zum Papstbesuch: Die Einladung an den Papst wurde auch von der Linksfraktion mitgetragen. Gab es da schon eine kontroverse Diskussion?

Möller: Es gibt natürlich unterschiedliche Positionen dazu. Die Frage war: Hat ein kirchliches Oberhaupt im Bundestag zu reden? Werden auch andere kirchliche Oberhäupter reden, oder nur der Papst? Das sind natürlich Fragen, die uns berühren, gerade auch vor dem Hintergrund der Kritik, die ich geäußert habe. Aber dass der Papst redet, wird von der Mehrheit der Fraktion getragen.

Wenn Sie dem Papst eine Rede schreiben könnten, was würden Sie ihn sagen lassen?

Möller: Ich würde in seine Rede reinschreiben, dass er auf uns als Gesellschaft einwirkt, dass wir eine solidarische Gesellschaft sind. Dass Menschen weltweit ihre Fürsorge gegenüber anderen Menschen und darüber hinaus für die Natur sehr ernst nehmen. Dass wir den Reichtum, den wir haben, weltweit gerecht verteilen. Dass wir den Menschen vor die Ideologie stellen, auch vor die christliche Ideologie im Bereich Aids und Verhütung. Dass wir versuchen, die Welt in eine friedliche und lebenswerte Welt zu wandeln und dass wir alle dafür Verantwortung tragen.


Kornelia Möller wurde 1961 in Hannover geboren und arbeitete unter anderem als Friseurin, Buchhalterin und Industriekauffrau, ehe sie ein Studium zur Diplom-Sozialökonomin abschloss. 2002 trat sie der damaligen PDS bei, für die sie 2005 über die bayerische Landesliste in den Bundestag einzog. Vor einiger Zeit trat Möller aus der Kirche aus, bezeichnet sich aber immer noch als römisch-katholisch - als einiges Mitglied der 76-köpfigen Bundestagsfraktion der Linkspartei.