"Generation Wodka": Trinken bis zum Umfallen

"Generation Wodka": Trinken bis zum Umfallen
Jugendliche, die Trinken bis zum Umfallen, sind eine betrübliche Schlagzeile. In seinem neuem Buch "Generation Wodka" beschreibt der Berliner Arche-Gründer Bernd Siggelkow dramatische Szenen über Alkoholmissbrauch im Kinderzimmer. Zuspitzender Untertitel: "Wie unser Nachwuchs sich seine Zukunft vernebelt".
25.08.2011
Von Andrea Barthélémy

Bernd Siggelkows Forderungen lauten: Schärfere Gesetze. Alkoholverbot in der Öffentlichkeit, 0,5-Promille-Grenze für Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr, höhere Preise für Hochprozentiges, und Alkoholverbot für Schwangere. "Denn das ist mit Blick auf das Kind schwere Körperverletzung", sagt Buchmitautor Wolfgang Büscher.

Traurige Tatsache, die repräsentativ belegt ist (BZgA, 2011): Etwa jeder Elfte der jüngsten Konsumenten zwischen 12 und 15 trinkt einmal pro Woche Alkohol. Tatsache aber auch: Die Tendenz ist seit den frühen 70er Jahren insgesamt deutlich rückläufig. Griffen damals noch bis zu 70 Prozent der 18- bis 25-Jährigen sowie gut ein Viertel der 12 bis 17-Jährigen regelmäßig zu Bier und Co, waren es 2010 nur noch 35 bzw. 13 Prozent. Das heißt: Noch nie seit Beginn der Erhebungen trinken so wenig Kinder und Jugendliche Alkohol wie heute. Wermutstropfen dabei bleibt der Anteil derjenigen ab 16, die sich häufiger als einmal pro Monat ins Koma saufen: Mit rund 20 Prozent ist er seit Jahren konstant.

Hip, lecker und gesellig

Jeder Vollrausch ist einer zuviel, da sind sich Suchtexperten einig. Doch mit Strafen und Gesetzen allein sei wenig geholfen. "Es ist immer gut, ein enges Zusammenspiel von Prävention und gesetzgeberischen Maßnahmen zu haben. Nur Verbote allein funktionieren nicht, die werden umgangen", sagt Marita Völker-Albert von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Köln). Sie führt den Rückgang der Rauschtrinker bei den 12- bis 15-Jährigen auch auf die große bundesweite Aufklärungskampagne "Kenn-Dein-Limit" zurück.

Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, sieht das Problem in größerem Rahmen. "Wir haben in Deutschland kein spezielles Alkoholproblem Jugendlicher, sondern allgemein ein Alkoholproblem", sagt er. Jugendliche tränken nicht mehr als Erwachsene, und diese machten es ja vor. "Wir liegen auf Platz zehn weltweit." Wenn in Deutschland weniger getrunken werden solle, dann seien Verkaufsbeschränkungen und höhere Preise die wirkungsvollsten Mittel. "An Tankstellen hat Alkohol nichts verloren. Man verkauft ja auch kein Feuerzeug im Spielwarenladen."

"Wir brauchen einen Konsens: Alkohol ist schädlich"

Von einem generellen Alkoholverbot in der Öffentlichkeit hält er jedoch wenig: "Damit drängen wir den Alkohol in einen dunklen Raum." Auch ein Alkoholverbot für Schwangere ist aus Gaßmanns Sicht nicht durchsetzbar. "Deutschland ist mit gutem Grund ein Land, in dem es erlaubt ist, sich selbst zu schädigen." Präventionsarbeit in Schulen sei ergänzend wichtig, um dem lauten Credo der Werbung, die Alkohol als hip, lecker und gesellig darstelle, etwas entgegenzusetzen.

Kerstin Jüngling, Leiterin der Fachstelle für Suchtprävention in Berlin, pflichtet dem bei: "Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens darüber, dass Alkohol schädlich ist. Den erreicht man aber nicht durch Verbote." Als Beispiel nennt sie USA, das Herkunftsland des Koma-Trinkens (Binge-Drinkings). "Und dort ist Alkohol erst ab 21 erlaubt." Konsenslösungen hält sie auch in Berlin für erfolgsversprechend. So sei es auch mit Lösungen für öffentliche Plätze - etwa am Leopoldplatz im Wedding, wo Trinker seit kurzem ein eigenes Areal haben. "Das ist sinnvoll im Sinne des friedlichen Miteinanders." Auch für U- oder S-Bahn kann Jüngling sich eine solche Herangehensweise vorstellen. "Anstatt eines generellen Alkoholverbots könnte die freundliche Durchsage mit der Bitte um Alkoholverzicht schon einiges bewirken."

 

dpa