Flucht aus Schwedt: "Ich konnte einfach nicht mehr"

Flucht aus Schwedt: "Ich konnte einfach nicht mehr"
In Schwedt ist der Ausländerbeauftragte wegen seiner Hautfarbe aus der Stadt getrieben worden. Der Fall des Ibraimo Alberto zeigt, dass Rassismus in Brandenburg weiterhin ein Problem ist - trotz aller Toleranz-Bekundungen.
28.07.2011
Von Haiko Prengel

Ibraimo Alberto fühlt sich aus Schwedt verjagt - der Stadt an der Oder, wo er 21 Jahre als Ausländerbeauftragter gewirkt hat. Sein Sohn wurde zuletzt auf dem Fußballplatz als "Negerhurensohn" beschimpft. Als der Vater einschritt, drohten sie ihn "totzuschlagen". Besonders erschreckend sei die Passivität der vielen Zuschauer gewesen: "Die haben zugeguckt wie bei einem Theaterstück", erzählt der gebürtige Mosambikaner. Glücklicherweise blieb es bei verbalen Anfeindungen. Verlassen hat Alberto die ostbrandenburgische Stadt nach 21 Jahren trotzdem - gen Westdeutschland. "Ich konnte einfach nicht mehr."

"Die haben Hass"

Der Fall sorgt auch deshalb für Aufsehen, weil der Rechtsextremismus in Brandenburg seit Jahren auf dem Rückzug zu sein schien. Keine ausländerfeindlichen "No-Go-Areas" mehr - die Zivilgesellschaft sei stark, betont die Landesregierung bei jeder Gelegenheit. Ein weltoffenes Bundesland - man stehe wieder in der Tradition Friedrichs des Großen und seines Ediktes "Jeder nach seiner Façon", lobte Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) erst vor kurzem in Potsdam.

Die Landeshauptstadt boomt. Gerade wird für viel Geld das frühere Stadtschloss als neue Bleibe für den Landtag wiederaufgebaut und es entstehen Wohnquartiere für Gutverdienende. Dagegen bluten Orte in der märkischen Provinz aus. In Schwedt, Prenzlau und anderswo bedrohen demografischer Wandel und die hohe Arbeitslosigkeit den sozialen Frieden, viele Bürger haben resigniert. "Die haben Hass", berichtet Ibraimo Alberto.

Dass der 48-Jährige zumindest die Rückendeckung der Schwedter Stadtspitze hatte, reichte ihm offensichtlich nicht. Schwedts Bürgermeister Jürgen Polzehl (SPD) bedauert seinen Weggang und betont: "Wir haben uns alle hinter ihn gestellt." Alberto sei lange arbeitslos gewesen, den Posten als SPD-Stadtverordneter und Ausländerbeauftragter habe er ehrenamtlich ausgeübt. Dieser bestreitet, "aus beruflichen Gründen" nach Karlsruhe gegangen zu sein, wie es die Stadt darstellt. Ausschlaggebend seien allein die Anfeindungen in Schwedt gewesen.

"Hier ist kein Schweigen, hier ist nichts unter den Teppich gekehrt worden", sagt Polzehl zu der von ihm regierten, rund 35.000 Einwohner zählenden Stadt am Grenzfluss zu Polen. Allerdings liege die Arbeitslosigkeit bei 15 Prozent. "Das ist generell ein Problem."

Brandenburg bei rechtsmotivierten Gewalttaten im Bundesvergleich vorn

In den 90er Jahren, als auch in Westdeutschland Asylbewerberheime brannten, gab es in Brandenburg praktisch wöchentlich rechtsextreme Übergriffe. Dann kamen die Programme gegen Fremdenfeindlichkeit in Gang und vieles in der Mark besserte sich. Zuletzt wurden etliche Neonazi-Aufmärsche durch Bürgerbündnisse verhindert. Auch die Zahl der rechtsmotivierten Gewalttaten sank seit 2004 kontinuierlich, wie das Innenministerium zum jüngsten Verfassungsschutzbericht bemerkte.

Doch im Bundesvergleich liegt Brandenburg bei den Gewalttaten immer noch vorn: 2010 waren es 2,6 Straftaten je 100.000 Einwohner. Nur Sachsen-Anhalt verzeichnete mehr Delikte. Und es gibt virtuelle Gefahren: Neonazis nutzen verstärkt das nur schwer zu kontrollierende Internet, um ihre Botschaften zu verbreiten und sich untereinander zu vernetzen. So sorgt nach Beobachtungen der Verfassungsschützer in Brandenburg ein rechtes Portal für Unruhe, das mittlerweile bundesweit Nachahmer finde.

dpa