"Deutsche" UN-Resolution zum Kinderschutz verabschiedet

"Deutsche" UN-Resolution zum Kinderschutz verabschiedet
Es war der erste Auftritt des deutschen Außenministers Guido Westerwelle an der Spitze des UN-Sicherheitsrates. Und die Premiere gelang - dank monatelanger Vorarbeit: Das mächtigste Gremium hat eine Resolution zum Schutz von Kindern verabschiedet - einstimmig.
13.07.2011
Von Christoph Sator

Dank deutschen Engagements vor den Vereinten Nationen sind Millionen Kinder in Konflikten künftig besser geschützt. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat am Dienstag eine unter deutscher Federführung erarbeitete Resolution einstimmig verabschiedet, die UN-Sanktionen für Staaten oder Banden androht, die Kinder missbrauchen, Schulen zerstören oder Krankenhäuser angreifen. Es war zugleich der erste Auftritt des deutschen Außenministers Guido Westerwelle an der Spitze des mächtigsten UN-Gremiums, das diesen Monat von Deutschland geführt wird.

"Kinder sollen aufwachsen und lernen, nicht kämpfen"

Um den Text des Papiers war bis zuletzt gerungen worden. Einige Länder sahen die Schutzmaßnahmen als Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten. Andere befürchteten, dass Gespräche von UN-Repräsentanten mit Rebellengruppen diese aufwerten würden. Zuletzt einigten sich die 15 Staaten aber doch auf den Text, der bei Vergehen UN-Sanktionen wie Reiseverbote oder Kontosperrungen vorsieht. "Das mag wenig klingen und es wird das Problem nicht lösen", sagte ein Diplomat am Rande der Sitzung, "aber es trifft manchen Rebellenchef schon an einer empfindlichen Stelle".

"Wir wollen nicht, dass Kinder in Konflikten benutzt werden, dass sie zum Kämpfen gezwungen werden", sagte Westerwelle. "Kinder sollen aufwachsen und lernen, nicht kämpfen." Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser seien "barbarisch". "Deshalb ist es wichtig, dass konkret Sanktionen angedroht werden. Die Fortschritte der letzten Jahre sind ermutigend, es bleibt aber noch viel Arbeit zu tun."

Westerwelle leitete Gremium erstmals

Im dritten Stock der UN-Zentrale hängt seit Dienstag ein Bild von Aung Zan aus Birma. Kein Bild, wie es ein Mädchen von zwölf Jahren normalerweise zu Papier bringt. Sondern eine Orgie der Gewalt mit einer Schule in Flammen, Blutlachen auf dem Boden und Männern in Uniform, die ihre Waffen auf Kinder richten.

Die Zeichnung gehört zu einer Ausstellung, die Außenminister Guido Westerwelle eröffnete, bevor er zum ersten Mal eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats leiten durfte: Deutschland führt in diesem Monat den Vorsitz im wichtigsten UN-Gremium und kann damit auch die Tagesordnung mitbestimmen.

Westerwelle - selbst kinderlos, aber mehrfacher Patenonkel - entschied sich dafür, bei seiner Premiere das Schicksal von Kindern in Kriegen und Kindersoldaten zum Thema zu machen. "Wir können uns das in Europa schwer vorstellen, dass Kinder in bewaffneten Konflikten missbraucht werden, aber das ist die Realität in der Welt. Kinder sind die Schwächsten. Sie brauchen besonderen Schutz."

Das ist auch ein Thema, bei dem sich die Vereinten Nationen - bis auf wenige Ausnahmen - einig sind. Anders als etwa bei der UN-Resolution 1973 zu Libyen, wo sich die Deutschen immer noch wegen ihrer Enthaltung rechtfertigen müssen, oder bei der geplanten Resolution zum gewaltsamen Vorgehen von Syriens Machthaber Baschar al-Assad, die seit Wochen vor sich hinschmort.

"Liste der Schande"

Völkerrechtlich ist es schon seit 1977 offiziell verboten, Kinder unter 15 Jahren in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen einzugliedern. Trotzdem wird geschätzt, dass weltweit immer noch etwa 250.000 Minderjährige als Soldaten missbraucht werden. Etwa jeder dritte kleine Soldat ist ein Mädchen.

Auf einer "Liste der Schande", die jedes Jahr von den UN veröffentlicht wird, stehen aktuell 22 Länder, in denen Minderjährige rekrutiert werden. Auch Konfliktgebiete, in denen Kinder verstümmelt oder sexuell missbraucht werden, werden erfasst. Die meisten "Schandstaaten" liegen in Afrika - etwa Somalia, Uganda oder Sudan.

Aber auch aus Afghanistan sind sieben Gruppierungen aufgeführt, die Kinder benutzen - von den radikal-islamischen Taliban bis hin zur Polizei. Sogar zwei gegenwärtige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats werden genannt: Indien und Kolumbien.

Ächtung von Angriffen auf Schulen und Krankenhäuser

Der Weg zur Waffe kann nach einem Bericht von Amnesty International (ai) unterschiedlich sein: Mancherorts werden Kinder aus ihrer Familie entführt. Anderswo wird vor allem in Flüchtlingslagern Nachwuchs zwangsrekrutiert. Es gibt aber auch Gegenden, wo sich Kinder freiwillig melden, um der Armut zu entkommen. Oder es sind die Eltern, die ihren Nachwuchs zum Geldverdienen zu bewaffneten Gruppen schicken.

Zunehmend Sorge bereitet, dass immer mehr Schulen zum Angriffsziel werden. Das hat seinen Grund auch darin, dass Kriegsparteien Schulen als Stützpunkte nutzen - wissend, dass sie dort normalerweise besser geschützt sind. Deshalb verabschiedete der Sicherheitsrat einstimmig eine neue Resolution 1998, womit jetzt auch Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser geächtet sind.

Experten erwarten, dass die "Liste der Schande" nun noch länger wird. Darüber hinaus können vom Sicherheitsrat künftig aber auch Konten von Kriegsherren gesperrt oder Reiseverbote verhängt werden. "Diese Resolution ist nicht nur politisches Papier, sondern hat handfeste Konsequenzen", sagt Westerwelle.

Darauf hofft auch die UN-Sonderbeauftragte für Kindersoldaten, Radhika Coomaraswamy: "Ich würde mir wünschen, dass der Sicherheitsrat mehr Sanktionen ausspricht. Aber die Bestrafung lässt leider noch immer lange auf sich warten."

dpa