Panzer-Streit: Sollen Rüstungsgeschäfte offen gelegt werden?

Panzer-Streit: Sollen Rüstungsgeschäfte offen gelegt werden?
Schweigen von Seiten der Bundesregierung, Beschwichtigungen von Seiten der Saudis: Die Lieferung von 200 deutschen Leopard-Panzern nach Riad ist für niemanden ein angenehmes Thema.

Die Bundesregierung hat auch vor dem Bundestag jede Auskunft zum umstrittenen Panzergeschäft mit Saudi-Arabien abgelehnt. Der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto (FDP), verwies am Mittwoch in der Fragestunde des Parlaments darauf, dass der Bundessicherheitsrat "seit jeher" grundsätzlich geheim tage und entscheide. "Daher kann die Bundesregierung zu den Presseberichten über angebliche Entscheidungen keine Stellung nehmen. Das war noch nie anders."

Otto verwies aber darauf, dass Saudi-Arabien schon häufiger Rüstungsgüter aus Deutschland bekommen habe. Diese Lieferungen seien stets "unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen" erfolgt. "Die gelten nicht nur für das Gebiet der Nato, sondern erstrecken sich auf den Nahen und Mittleren Osten." Ferner sei Saudi-Arabien ein "wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus". Den Menschenrechten werde "besonderes Gewicht" beigemessen.

Das bisher größte Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien

Der FDP-Politiker setzte sich auch damit zur Wehr, dass zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung Rüstungsgüter im Wert von 260 Millionen Euro an Saudi-Arabien ausgeführt worden seien. Die Bundesregierung steht wegen der Lieferung von 200 Panzern in das autoritär regierte Königreich seit Tagen in der Kritik. Nach Expertenangaben wäre dies mit Abstand das größte Rüstungsgeschäft, das es mit Saudi-Arabien jemals gab.

Angesichts des beharrlichen Schweigens der Regierung zum Panzergeschäft mit Saudi-Arabien wird der Ruf nach neuen Regeln für Rüstungsexporte lauter. SPD und Linke stellten die Geheimhaltungspflicht im zuständigen Bundessicherheitsrat am Mittwoch infrage. Linksfraktionschef Gregor Gysi forderte sogar eine Zustimmungspflicht des Bundestags.

Der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, warf der Koalition von Union und FDP in der Aktuellen Stunde vor, sie stehe im Jahr des arabischen Frühlings "an der Seite der Despotien und nicht an der Seite der Demokratie". "Geld ist offensichtlich wichtiger als demokratische Rechte", kritisierte der Grünen-Politiker. Er verwies auch auf die Unterstützung Saudi-Arabiens bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung im Nachbarland Bahrain. Die Panzerlieferung schade den deutschen Interessen, unterstrich Trittin.

Koalition: Saudi-Arabien ist ein Verbündeter

Der SPD-Vorsitzende Gabriel warf der Bundesregierung Rechtsbruch vor. Sie verstoße gegen die Richtlinien für Rüstungsexporte, wonach keine Waffen in Länder geliefert werden dürfen, die Menschenrechtsverletzungen begehen. Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) fehle der Mut, der Öffentlichkeit die Wende in der Außenpolitik zu erklären, sagte Gabriel. 30 Jahre lang seien keine Panzer an Saudi-Arabien geliefert worden.

Vertreter der Koalition räumten ein, dass die Menschenrechte in Saudi-Arabien nicht eingehalten werden. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Martin Lindner erklärte, niemand könne ernsthaft die Menschenrechtslage in dem Land schönreden. Bei der Entscheidung für die Panzerlieferung seien aber außen- und sicherheitspolitische Interessen zu berücksichtigen. Saudi-Arabien sei ein Partner im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und ein wichtiger Verbündeter gegen die Hegemoniebestrebungen des Iran.

Kritik von beiden großen Kirchen

Zuvor hatten bereits die Kirchen vor einem Panzergeschäft mit Saudi-Arabien gewarnt. "Deutsche Waffen gehören nicht in Spannungsgebiete. Sie gehören auch nicht in die Hände von Regierungen, die sich nicht verlässlich für die Menschenrechte engagieren", sagte der Trierer Bischof Stephan Ackermann, Vorsitzender der katholischen Kommission "Justitia et Pax", der "Passauer Neuen Presse" (Mittwochsausgabe) .

Ähnlich äußerte sich die evangelische Kirche. "Wenn deutsche Leopard-Panzer exportiert und dazu eingesetzt werden, Barrikaden aus dem Weg zu räumen und Demonstrationen zu unterbinden, dann tragen wir auch die Mitverantwortung für Menschenrechtsverletzungen", sagte der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, der Zeitung. "Wir brauchen eine strengere Rüstungsexportkontrolle", forderte der Bremer leitende Theologe.

Erst Ende 2012 im Exportbericht

Derzeit kann die Bundesregierung Rüstungsexporte im Alleingang genehmigen und muss die Entscheidungen auch erst im jährlichen Rüstungsexportbericht veröffentlichen. Die Entscheidungen aus dem Jahr 2010 werden aber erst Ende 2011 bekanntgegeben. Die Genehmigung des Panzergeschäfts mit Saudi-Arabien aus der vergangenen Woche wird sich erst in dem Exportbericht finden, der Ende 2012 vom Kabinett beschlossen wird.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, fragte am Mittwoch: "Wer soll durch die Geheimhaltung eigentlich geschützt werden?" Die Sozialdemokraten haben bereits im März ein Konzept zur Reform der Rüstungsexportgenehmigungen vorgelegt. Darin heißt es unter anderem, der Exportbericht müsse "schneller und in verlässlicher Zeitfolge" veröffentlicht werden. "Denkbar wären spätestens sechs Monate nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres."

Die Linke ist für eine sofortige Offenlegung. "Man kann nicht in Spannungsgebiete Waffen liefern und die Bevölkerung dann nicht informieren", sagte Gysi. Er sprach sich auch dafür aus, eine Zustimmung des Bundestags zur Pflicht zu machen.

Riad: Wenn Deutschland nicht will, liefern halt die Russen

Nicht nur die Bundesregierung spricht ungern über das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien. Auch die Herrscher des islamischen Königreiches sind wortkarg. Vor allem über die Sorge von Menschenrechtsgruppen, dass die Saudis die Leopard-Kampfpanzer im Falle eines Aufstandes gegen ihr eigenes Volk einsetzen könnten, mag man in Riad gar nicht sprechen.

Die Debatte, die aktuell in Berlin über das Rüstungsgeschäft geführt wird, hatten die Saudis aber wohl erwartet - zum einen wegen des Einsatzes der saudischen Nationalgarde während der jüngsten Unruhen in Bahrain, zum anderen, weil jetzt auch bei der Niederschlagung der Proteste in Syrien Panzer im Einsatz sind.

Man habe die Deutschen beschwichtigt und ihnen versichert, dass diese Leopard-Panzer nur gegen äußere Bedrohungen eingesetzt würden, erklären saudische Militärs. "Saudi-Arabien muss sich bewaffnen, so wie jedes andere Land auch", heißt es in Riad. Und wenn die Deutschen die bestellten 200 Panzer nicht liefern wollten, dann werde man eben auf Panzer aus russischer Produktion zurückgreifen. 

Die deutschen Panzer schnitten besser ab

Eingefädelt wurde das umstrittene Geschäft nach inoffiziellen Informationen aus Saudi-Arabien bereits im vergangenen Jahr - bevor die arabischen Revolutionen in Tunesien, Ägypten und Libyen begonnen hatten. Die Saudis testeten parallel den "Leopard 2" und ein russisches Modell, im Winter und in der Hitze des Sommers. Die deutschen Panzer schnitten besser ab, so dass sich ein Militärkomitee schließlich für die Bestellung in Deutschland aussprach.

Genutzt werden sollen die deutschen Panzer dem Vernehmen nach von der Armee und nicht von der Nationalgarde. Die Nationalgarde, die unter anderem für den Schutz der königlichen Familie zuständig ist, wird von Prinz Mutaib, einem Sohn von König Abdullah, geleitet. Anders als in Deutschland hat das Rüstungsgeschäft in Saudi-Arabien bislang keine öffentliche Debatte ausgelöst.

dpa/epd