Jim Morrison oder Der Durchbruch zur anderen Seite

Jim Morrison oder Der Durchbruch zur anderen Seite
Ganz plötzlich kam das Ende seiner radikalen Entdeckungsreise zum eigenen Ich. Vor 40 Jahren, am 3. Juli 1971, blieb frühmorgens das Herz von Jim Morrison stehen. Ob der Sänger der US-Rockgruppe "The Doors" in seinem Pariser Exil tatsächlich an einer Überdosis Heroin starb oder ob sein durch jahrelange Alkohol- und Drogenexzesse geschwächter Körper schlicht und einfach seinen Dienst versagte, wird für immer ungeklärt bleiben.
01.07.2011
Von Alexander Lang

Mit seinem geheimnisumwitterten Tod trug der düstere Echsenkönig, wie er sich selbst nannte, endgültig zur Legendenbildung bei. Den "Durchbruch zur anderen Seite" hatte er als sein Lebensziel postuliert. "Break on Through to the Other Side" lautete programmatisch der erste "Doors"-Hit aus dem Jahr 1967. Auf seiner exzessiven Suche nach Selbsterkenntnis sah Morrisson die letzte Grenze zwischen Bewusstem und Unbewusstem im Tod.

Die "kranke Gesellschaft" ändern

Nur 27 Jahre alt wurde der in Melbourne in Florida geborene Sänger, Songschreiber und Poet. Mit seiner Musik und seinen Texten wollte er die "kranke Gesellschaft" ändern und Menschen "aus den Zwängen befreien, innerhalb derer sie sich sehen und fühlen". Wie kaum ein anderer Rockmusiker seiner Generation sagte Morrison, der als Sohn eines ranghohen Marineoffiziers unter einer autoritären Erziehung litt, dem Staat und seinen Autoritäten den Kampf an. Er war hoch gebildet, verschlang die Werke von Nietzsche und den Autoren der "Beat Generation" wie Jack Kerouac und Allen Ginsberg. Der Musiker wollte sich selbst und anderen die Türen öffnen, die aus seiner Sicht den Weg zum freien Leben verschlossen.

Es ging ihm darum, "die Kontrolle über das eigene Leben so weit wie möglich zurückzugewinnen", wie er in einem Interview sagte. Freiheit suchte Morrison, der gegen den Willen seiner Eltern Film- und Theaterwissenschaft in Los Angeles studierte, im Schreiben von Gedichten und in der Musik. 1965 gründete er dort mit seinem früheren Studienkollegen und Organisten Ray Manzarek die "Doors". Mit Robby Krieger an der Gitarre und John Densmore am Schlagzeug fand Morrison weitere musikalische Mitstreiter. Die "Doors" benannten sich nach dem Essay "The Doors of Perception" des englischen Schriftstellers Aldous Huxley, in dem es um den Einfluss von Drogen auf das menschliche Bewusstsein geht.

Während ihrer nur fünfjährigen Karriere entwickelten sich die "Doors" zur erfolgreichsten und auch umstrittensten US-Rockband. Zur Liebe-und-Frieden-Maxime der Hippies der 1960er Jahre bot das Quartett ein Gegenprogramm: Der in schwarzes Leder gehüllte Charismatiker Morrison zelebrierte provokante Bühnenshows mit düsteren und aggressiven Konzeptstücken. Gedichtrezitationen, lange musikalische Improvisationen, Theaterelemente und Filmeinspielungen waren Elemente des neuartigen "Rocktheaters".

Eine musikalische Reise in Traumwelten

"When the Music is Over", "Light my Fire" und besonders "The End" entführen den Hörer in apokalyptische, drogenschwangere Traumwelten, erzählen von Chaos und Revolte, von ödipalem Vatermord und Mutterliebe und von Todessehnsucht. "The "Unknown Soldier" ist ein Lobgesang auf alle US-Deserteure im Vietnam-Krieg: In einem Begleitfilm mimte Morrison einen Soldaten, der standrechtlich erschossen wird.

"Ich mag Ideen über den Zusammenbruch oder den Umsturz der etablierten Ordnung", sagte Morrison 1967. Das Chaos war für ihn ein Reinigungsritual, durch das die Saat für ein neues, freies Leben entsteht. Der "Doors"-Sänger war ein zwiespältiger Charakter, der sich gerne als Schamane mit Heilkräften und als Sex-Symbol stilisierte. Die oft unkritische Anhimmelei seiner Fans nutzte er aus, feuerte sie mit hypnotischer Gabe bei Konzerten an.

Als Verhetzer und Staatsfeind verhaftet

Wendepunkt in der Karriere von Morrison und den "Doors" war 1969 ein Konzert vor rund 13.000 Besuchern in Miami. Alkoholisiert rief er zum Aufruhr auf, provozierte die Ordnungshüter. Die Masse stürmte die Bühne, Morrison wurde verhaftet. Polizei und FBI nahmen ihn als Staatsfeind und Verhetzer der Jugend ins Visier. Auch viele Medien machten Stimmung gegen den Künstler, der unentwegt die Toleranzgrenzen seiner Umwelt testete. Mehrere US-Bundesstaaten verhängten einen Bann über die "Doors", zahlreiche Konzerte wurden abgesagt. Morrison zog sich von seinem Publikum zunehmend zurück, ließ sich einen Bart wachsen, wurde dicker und spielte den Blues.

Seiner Rolle bei den "Doors" überdrüssig und wegen der Querelen mit US-Behörden folgte der gesundheitlich angeschlagene Morrison Anfang 1971 seiner Freundin Pamela Courson nach Paris. "Keiner kommt hier lebend raus", lautet eine prophetische Zeile des "Doors"-Songs "Five to One (1968). Auf dem Prominentenfriedhof Père Lachaise fand er seine letzte Ruhe. Morrisons Grab ist zur Kultstätte geworden. Kein Tag vergeht, an dem nicht Fans vorbeikommen, sich ein Bier oder einen Joint genehmigen, einen kleinen "Durchbruch zur anderen Seite" wagen.

epd