Thailand: Mit Affen und Büffeln zum Wahlboykott

Thailand: Mit Affen und Büffeln zum Wahlboykott
"Für Himmel und Erde" ist die kurioseste unter den Parteien, die um die Gunst der Wähler in Thailand ringen. Ihr einziger Programmpunkt lautet "Vote No". So minimalistisch ihre Politik ist, so üppig sind ihre Wahlplakate. Mit Affen, Büffeln, und Krokodilen in Anzug und Krawatte ruft die Partei zum Boykott von Thailands Schicksalswahl am Sonntag auf.
01.07.2011
Von Michael Lenz

"Für Himmel und Erde" ist der parteipolitischer Ableger der buddhistischen Sekte Santi Asoke. Der von Thailands Mainstream-Buddhismus geächtete asketische Orden seinerseits ist Mitglied der PAD, die wegen der Farbe ihrer T-Shirts weltweit als Gelbhemden bekannt wurde, als sie im November 2008 für acht Tage den internationalen Flughafen von Bangkok blockierte.

Die Nein-Stimmen werden keinen großen Einfluss auf das Wahlergebnis am Sonntag haben. Aber die Gelbhemden als die sichtbare Protestbewegung der "Unsichtbaren Kräfte", wie Thailands Medien das mächtige, einflussreiche Establishment aus Beamtentum, Monarchisten und Militär nennen, haben nach der Wahl das Schicksal Thailands in der Hand.

Mönche gegen Demokratie

Die Wahlboykottkampagne "Vote No" richtet sich aber nicht nur gegen die Thaksin-Partei, zu deren glühenden Unterstützern sie einst zählten. Ihr Kalkül vor zehn Jahren: ein milliardenschwerer Unternehmer wie Thaksin ist immun gegen Korruption. Jetzt sind die Santi-Asoke-Mönche und ihre weltlichen Freunde auch enttäuscht über die Demokraten und Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva, denen sie durch ihre Protestaktionen zur Macht verholfen haben. Korruption in Thailand, haben die Puristen jetzt begriffen, ist kein Markenzeichen von Einzelpersonen oder einzelnen Parteien, sondern eine systemische Krankheit. Also sind sie gegen die Dagegen-Partei geworden.

Ihr Patentrezept zur Lösung des Problems der schmutzigen Politik lautet: Abschaffung der Demokratie, denn nicht nur sind alle Politiker durch die Bank weg nur korrupt und ihren eigenen Interessen verpflichtet, das Volk ist auch zu dumm zum wählen. Ginge es nach den Vorstellungen der PAD und von Santi Asoke, dann würden noch 30 Prozent der Parlamentssitze durch Wahlen vergeben. Den Rest nehmen ernannte Politiker mit reiner Weste ein, die nur den Interessen des Volkes verpflichtet sind.

Am Wahlausgang gibt es kaum Zweifel. Pheu Thai, die Partei des gestürzten, nach einer Verurteilung wegen Korruption im Exil lebenden ehemaligen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra, liegt in allen Umfragen weit vor den Demokraten von Regierungschef Abhisit Vejjajiva und Thaksins Schwester Yingluck Shinawatra hat beste Aussichten Thailands erste Ministerpräsidentin zu werden.

Angst vor Thaksin-Partei

Aber nur eines graut den Unsichtbaren Kräften noch mehr als die Rückkehr der Thaksin-Partei und der mit ihr verbündeten Bewegung der Rothemden an die Macht: die Rückkehr des leibhaftigen Thaksin. Eine Amnestie für Thaksin aber ist neben höchst populären aber unsinnigen Wahlversprechen wie "Tablet-PCs für alle Kinder" das erklärte Ziel von Pheu Thai.

Die große Frage lautet also: werden Gelbhemden und die Unsichtbaren Kräfte die Rückkehr der als Affen und Wasserbüffel verunglimpften Männer und Frauen der Thaksin-Partei akzeptieren? Oder wird es zu einer neuen Runde von Protesten, Gewalt und Putsch kommen? Armeechef General Prayuth Chan-ocha hat wiederholt im Wahlkampf versichert, das Militär plane keinen Putsch und sei ansonsten dafür, dass nur "gute Menschen" gewählt werden. Dass er dazu nicht die Pheu-Thai-Kandidaten zählt, musste der General, einer der Putschisten gegen Thaksin, nicht extra aussprechen.

Thaksins Schwester Yingluck hat gute Aussichten, die Wahl zu gewinnen und Thailands erste Regierungschefin zu werden.

Die Unsichtbaren Kräfte stehen vor einem Dilemma. Die mehrfach von Gerichten aufgelösten und unter neuen Namen wiedergeborenen Thaksin-Parteien haben alle Wahlen seit 2001 gewonnen. Der Thaksinismus ist zu einer festen Größe im politischen System Thailands geworden, die den Unsichtbaren Kräften verhasst ist. Thitinan Pongsudhirak, Politologe an der Chulalongkorn Universität in Bangkok, warnt, trotz ihrer Manipulationen hätten "die Kräfte hinter dem Putsch von 2006 keine Wahl gewonnen und können keine gewinnen. Aber sie können die Gewinner daran hindern, zu regieren."

Gemeinsame Road Map als Ziel

Thitinan sieht als einzigen Ausweg aus der politischen Pattsituation die Verständigung der beiden Lager auf eine gemeinsame Road Map. Die Anti-Thaksin-Bewegung muss das Wahlergebnis akzeptieren, auf Protestaktionen und Besetzungen sowie die Benutzung der Gerichtsbarkeit gegen die Regierung verzichten. Im Gegenzug sollten die Wahlgewinner den Armeechef auf seinem Posten belassen sowie keine einseitigen Maßnahmen gegen die Verantwortlichen für die blutige Niederschlagung der Rote-Hemden-Proteste vom Mai 2010 durchführen. Thaksin selbst solle das "ultimative Opfer" bringen und für immer Thailand entsagen.

Die Aussichten auf eine Überbrückung der tiefen Spaltung der thailändischen Gesellschaft sind düster. Der Riss geht durch alle Schichten und Institutionen der Gesellschaft. Die Armee steht auf der Seite der Unsichtbaren Kräfte. Aber schon während der Niederschlagung der Rothemdenproteste kamen Zweifel auf, sich die Armeeführung auf die unteren Ränge der Truppe noch verlassen kann. Die Polizei wiederum ist eher im Thaksin-Lager zu finden. Thailands buddhistischer Sangha ist ebenfalls in Gelb- und Rothemden gespalten, mit Tendenz zum Thaksinlager. Schon malen ganz pessimistische Beobachter von Thailands explosiver politischer Gemengelage einmal mehr das Schreckgespenst eines Bürgerkriegs an die Wand.

Ein richtiger Krieg ist auch nicht ausgeschlossen. Historischer Stein des Anstoßes ist der zu Kambodscha gehörende antike Khmertempel Preah Vihear im thailändisch-kambodschanischen Grenzgebiet. Für die PAD und die Mönche ist der Fall klar: der Tempel gehört Thailand. Santi Asoke und die PAD spielen unverhohlen mit ihrer Propaganda gegen Kambodscha die nationalistische Karte. Erfolgreich.

Feuergefechte an der Grenze

Thailand zog sich 2008 auf Druck der PAD und Santi Asoke von dem noch von der Thaksin-Regierung in die Wege geleitete gemeinsame Antrag mit Kambodscha auf Aufnahme des Hindutempels aus dem 11. Jahrhunderts in das Weltkulturerbe der UNESCO zurück. Dann wurden die Truppen an der Grenze verstärkt und es kam zu wiederholt zu Feuergefechten mit der kambodschanischen Armee. Zuletzt erst Anfang dieses Jahres. Tausende auf beiden Seiten der Grenze flohen vor den Kämpfen, es gab Tote und Verwundete. Ende Juni kündigte Thailand aus Protest gegen einen von Kambodscha vorgelegten Managementplan für Preah Vihear seine Mitgliedschaft im Weltkulturerbeprogramm der UNESCO auf.

Die Bühne für eine heiße Nach-Wahl-Phase ist bereitet. Die Heinrich-Böll-Stiftung prophezeit: "Egal welche Seite die Wahl gewinnt, sicher ist, dass der Wahlsieger mit massivem Widerstand konfrontiert sein wird."


Michael Lenz arbeitet als freier Journalist in Südostasien und schreibt regelmäßig für evangelisch.de.