Komik auf jüdisch und muslimisch: "Alles koscher!"

Komik auf jüdisch und muslimisch: "Alles koscher!"
Wenn ein muslimischer Familienvater jüdisch wird, bleibt kein Auge trocken und keine Religion ungeschoren. Turbulent geht es zu in der britischen Komödie "The Infidel", die unter dem Titel "Alles koscher!" von Donnerstag an auch in den deutschen Kinos zu sehen ist. Ein Gespräch mit dem englischen Drehbuchautor und Coproduzenten des Films, David Baddiel.
30.06.2011
Die Fragen stellte Igal Avidan

Herr Baddiel, wie entstand die Idee zu diesem Film?

Baddiel: Als Kind wurde ich in den 1970ern in London zweimal zusammengeschlagen: einmal als Jude und einmal, weil man mich für einen Pakistani gehalten hatte. Ich bin dunkel, und damals gab es viel Rassismus auf den Straßen in England. Wenn man anders aussah, wurde man aggressiv behandelt, egal welcher Minderheit man angehörte. Jahre später wurde die Idee konkret, als ich den Schauspieler Omid Djalili kennenlernte, der die Hauptrolle spielt: Er ist iranischstämmig, könnte aber genauso jüdisch sein. Die Idee interessierte mich, dass ein Mensch aus zwei ethnischen Identitäten bestehen kann.

Kommen Sie aus einer orthodoxen jüdischen Familie?

Baddiel: Nein. Ich besuchte als Kind eine jüdische Grundschule, die sehr orthodox war, so dass ich einen Gebetsschaal und eine Kopfbedeckung trug und nur koscher aß. Zu Hause war es weniger religiös, aber die erweiterte Familie Baddiel, die ich persönlich nicht kenne, ist sehr religiös und gründete mehrere Jeshivas (Talmudschulen) in England. Ich selbst bin absolut nicht religiös, obwohl ich gern meine jüdische Tradition in meine Arbeit integriere. Zudem bin ich einer der wenigen aktiven jüdischen Komiker in Großbritannien. Ich bin sehr jüdisch in meiner Weltanschauung, aber glaube nicht an Gott.

Ihre Familie mütterlicherseits stammt aus Deutschland.

Baddiel: Ja, meine Mutter wurde in Königsberg geboren, dem heutigen Kaliningrad. In der Pogromnacht vom November 1938 wurde ihr Vater, ein Fabrikant, in einem KZ interniert und sein Besitz enteignet. Dennoch gelang es ihm drei Wochen vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, zusammen mit seiner Frau und Tochter – meiner Mutter – nach England zu fliehen. Dort wurde er jedoch als deutscher Staatsbürger auf der Isle of Man interniert. Seine Erfahrungen inspirierten mich, einen Roman darüber zu schreiben. Viele meiner Verwandten wurden in der Shoah ermordet.

Warum ließen Sie das Drehbuch von einer muslimischen Schauspielerin überprüfen ?

Baddiel: Weil ich es richtig haben wollte. Der Film spielt hauptsächlich in einer islamischen Umgebung, in Moscheen und bei muslimischen Familien zu Hause. Die jüdischen Szenen waren mir vertraut, die muslimischen musste ich noch lernen. Wir recherchierten und trafen daher einige muslimische Familien. Auch einer der Filmproduzenten ist ein Muslim.

Haben Sie manche Witze aus Angst vor radikalen Muslimen weggelassen?

Baddiel: Nicht wirklich. Der Film wollte von vornherein keine Religion angreifen, denn es ist eine Komödie über eine Busenfreundschaft zwischen einem Muslim und einem Juden. Er macht sich darüber lustig, wie Menschen mit Religion, Stereotypen und Rassismus umgehen, nicht über die Religionen selbst. Von vornherein habe ich nichts Blasphemisches geschrieben, denn keine der Figuren würde sich so verhalten.

Wie waren die jüdischen Reaktionen?

Baddiel: Als der Film in den USA spielte, kamen viele Vertreter jüdischer Organisationen zu den Aufführungen. Einige Vorstandsmitglieder der Anti-Defamation-League waren besorgt wegen der Verbrennung der Kippa, der jüdischen Kopfbedeckung, in einer Szene. Diese komische Szene mokiert sich eigentlich über Antisemiten, die so etwas machen. Mahmud tut es nur, weil er große Angst vor den Islamisten um sich herum hat und sich durch diese Tat retten will. Manche Juden kritisierten, es gebe mehr Witze über Juden als über Muslime. Aber ich bin halt jüdisch und es fiel mir definitiv leichter, Witze über Juden zu machen.

Die meisten Muslime reagierten sehr positiv auf Ihren Film.

Baddiel: In den allermeisten britischen Filmen werden Muslime als Fanatiker oder Terroristen dargestellt, sowohl in TV-Serien wie "My Son the Fanatic" als auch in Spielfilmen wie "Four Lions". Unser Film war so erfolgreich in Orten, in denen viele Muslime leben, weil sie sich nach Filmen wie unserem sehnen, die sie als normale Menschen zeigen.

Wie erfolgreich war "The Infidel" in England?

Baddiel: Er startete mit nur wenigen Kopien, weil viele Kinobesitzer Vergeltungsaktionen befürchtet hatten, zum Beispiel dass Werbeplakate in Brand gesetzt werden. Aber nichts dergleichen geschah. So starteten wir in nur 29 Kinos und erst wegen des Erfolgs wuchs die Zahl auf 70. Aber es gab keine Werbekampagne – weder auf Plakaten noch im Fernsehen. Viele politische Journalisten interessierten sich für diesen kleinen Film, der schließlich in 64 Staaten gezeigt wird, auch in arabischen Staaten und im Iran.

Gibt es gemeinsame muslimisch-jüdische Initiativen in England und nehmen Sie daran teil?

Baddiel: Es gibt verschiedene Initiativen, die alle unseren Film unterstützten, wie die muslimisch-jüdische Theatergruppe für Jugendliche "MUJU". In diesem Jahr soll ich den "mosaischen Preis" in der Kategorie interreligiöser Dialog präsentieren. Man hat erkannt, dass unser Film viel Bewusstsein für jüdisch-muslimische Beziehungen schafft und versucht, Spannungen abzubauen. Die einzelnen Schimpfworte im Drehbuch waren für die Schulen ein wenig problematisch, aber eine leicht bearbeitete Fassung wird dort gezeigt, um mehr Bewusstsein für interkulturelle Beziehungen zu wecken.

Hat der Filmstart in Deutschland für Sie eine besondere Bedeutung?

Baddiel: Ich bin darüber wirklich sehr erfreut, weil ich über meine Mutter dort Wurzeln habe, egal wie kompliziert diese sind. Ich habe das Fußballlied "Three Lions" geschrieben, die offizielle Hymne des englischen Teams für die Fußball-Europameisterschaft 1996 in England. Nachdem Deutschland Europameister wurde, kam mein Lied in die deutsche Hitparade und ist bis heute populärer bei deutschen Fans als bei englischen. Damals sang ich es im deutschen Fernsehen und traf einige deutsche Komiker. Ich fand, dass die deutsche Komik der der Briten sehr ähnlich ist. Daher denke ich, dass der Film in Deutschland erfolgreich sein wird.


David Baddiel ist Jude, englischer Drehbuchautor und Coproduzenten des Films "The Infidel".

Igal Avidan ist freier Journalist in Berlin.