Frauen wollen leiten, nicht Kaffee kochen

Frauen wollen leiten, nicht Kaffee kochen
An diesem Freitag wird es in der nordelbischen Kirche eine Bischöfinnenwahl geben. Zwei Kandidatinnen stehen sich gegenüber, einen männlichen Konkurrenten haben sie nicht. Dieselbe Situation wird voraussichtlich die Westfälische Landeskirche im November bei ihrer Präseswahl erleben. Reine Frauen-Wahlen werden bald in der evangelischen Kirche so selbstverständlich sein wie bisher reine Männer-Wahlen. In Kirchenvorständen und Theologieseminaren haben Frauen schon stark aufgeholt.
16.06.2011
Von K. Rüdiger Durth

Ist der männliche Bischof in der evangelischen Kirche immer noch die Norm, wie die mitteldeutsche Bischöfin Ilse Junkermann meint? Mit der Hamburger Bischöfin Maria Jepsen hatte die weltweite lutherische Kirche ihre erste Bischöfin, und zeitweise waren gleich drei Bischöfinnen (neben Frau Jepsen in Lübeck Bärbel Wartenberg-Potter und in Hannover Margot Käßmann) im Amt. Im Herbst 2009 wurde Margot Käßmann als erste Frau Vorsitzende des 15köpfigen Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland – nachdem zuvor schon die bündnisgrüne Politikerin Karin Göring-Eckardt zur Präses (Vorsitzende) der EKD-Synode gewählt worden war. 

Nachdem Käßmann wenige Monate später aus persönlichen Gründen von ihrem Amt zurückgetreten war, folgte ihr mit Präses Nikolaus Schneider wieder ein Mann. Aber in erster Linie deshalb, weil dieser sich als Stellvertreter einen guten Namen gemacht hatte und in der evangelischen Kirche als geistlicher Leiter der rheinischen Landeskirche bestens vernetzt war – wo er übrigens von einer Frau, Vizepräses Petra Bosse-Huber vertreten wird.

In der nordelbischen Kirche, wo sich die Kirchenmitglieder wie bereits erwähnt schon lange an Bischöfinnen gewöhnt haben, steht am 17. Juni wieder eine Bischofswahl an, da Maria Jepsen vorzeitig von ihrem Amt zurückgetreten war. Genauer muss es wohl heißen Bischöfinnenwahl. Denn erstmals stehen zwei Frauen zur Wahl: Petra Bahr (45), die Kulturbeauftragte der EKD, und Kirsten Fehrs (49), Hamburger Hauptpastorin an St. Jacobi und Pröpstin. Gleich wie die Wahl ausgeht - es wird auf jeden Fall erstmals eine Frau sein. Und das ist neu.

"Muttitypen" und "Kuschelgott"

Noch spannender dürfte es im November auf der westfälischen Landessynode zugehen. Der geistliche Leiter der viertgrößten Landeskirche, Präses Alfred Buß, wird Anfang 2012 aus Altersgründen sein Amt niederlegen. Und auch hier hat der Nominierungsausschuss zwei Frauen zur Wahl vorgeschlagen: Die Superintendentin des reformierten Kirchenkreises Siegen, Annette Kurschus (48) und die Leitende Pfarrerin der westfälischen Frauenhilfe, Angelika Weigt-Blätgen (55). Noch ist offen, ob die männer-dominierte Landessynode nicht auch noch einen Mann aus ihrer Mitte als Kandidat nominiert. Ansonsten wird die westfälische Kirche erstmals in ihrer Geschichte von einer Frau geleitet.

Vor einiger Zeit lästerte der Münchener Theologieprofessor Friedrich Wilhelm Graf über die zunehmende Feminisierung des Pfarrberufs. In seinen Seminaren würden vorwiegend junge Frauen sitzen, eher "Muttitypen" und Verfechterinnen eines "Kuschelgottes" als intellektuelle Repräsentantinnen einer auch gesellschaftlich wichtigen Theologie. Trifft das Bild überhaupt zu, zumal sich die Aufregung über die "feministische Theologie" längst gelegt hat? Ein Blick auf die Leitungen der 22 Landeskirchen zeigt, dass das alte Wort von den Männern, die die Kirche leiten, und den Frauen, die ihr dienen, nicht mehr uneingeschränkt stimmt.

Pröpstin, Prälatin, Oberkirchenrätin, Regionalbischöfin...

Denn längst werden viele Kirchenleiter von einer Frau vertreten, die freilich die unterschiedlichsten Titel tragen: Pröpstin Friederike von Kirchbach (Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz), Prälatin Marita Natt (Kurhessen-Waldeck), Oberkirchenrätin Cordelia Kopsch (Hessen-Nassau), Vizepräses Petra Bosse-Huber (Rheinland), Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler (Bayern).

Auch in den obersten Leitungsebenen gibt es mittlerweile viele Frauen: In Mitteldeutschland hat die Juristin Brigitte Andrae die Leitung des Landeskirchenamtes. Außerdem ist eine der fünf Regionalbischöfe eine Frau (Marita Krüger in Meiningen-Suhl). Eine der vier württembergischen Prälaturen (Regionalbischöfe) wird von Gabriele Wulz in Ulm ausgeübt. In Bayern haben die Oberkirchenrätinnen Dorothea Greiner (Bayreuth) und Elisabeth Han von Weykern (Nürnberg) die Funktion einer Regionalbischöfin und Karla Sichelschmidt ist Leiterin des Landeskirchenamtes in München.

In der Leitung der Pommerschen Evangelischen Kirche sind zwei Frauen tätig, in der von Hannover drei Oberkirchenrätinnen, des Rheinlandes neben der Vizepräses eine Oberkirchenrätin für Ökumene, in der von Braunschweig ist Oberkirchenrätin Brigitte Müller für Personal zuständig. In zahlreichen Landeskirchen stehen Frauen der Synode vor, etwa Margit Fleckenstein in Baden.

Frauen wollen nicht mehr nur dienen, sondern mitreden

Längst haben in vielen Kirchenvorständen (Presbyterien) die Frauen die Mehrheit der Mandate errungen. Das schlägt sich dann auch in den Synoden der Kirchenkreise/Propsteien/Dekanate nieder sowie in den Landessynoden. Alle kirchlichen Gremien werden weiblicher. Dabei liegen die Ursachen für diese Entwicklung auf der Hand: Immer mehr junge Frauen (und immer weniger junge Männer) studieren evangelische Theologie. Die Folge ist, dass mittelfristig die Frauen auch die Mehrheit in den Gemeindepfarrämtern stellen. Da die Zahl der Männer in den Kirchen – etwa im Gottesdienst – weiter sinkt, wächst der Einfluss der Frauen auf die Gemeinde vor Ort. Zum anderen sind es die Frauen (zum Glück) leid, nur dienende Aufgaben zu übernehmen, während die Männer das Sagen haben.

Mit "Muttitypen" und "Kuschelgott" hat das alles nichts zu tun. Wer Bischöfinnen, Prälatinnen, Oberkirchenrätinnen etc. kennt, der weiß, dass sie sehr wohl "ihren Mann" stehen und bereit sind, hohe Leitungsämter zu übernehmen. Gleiches gilt für die weiblichen Laien, die bereits heute in vielen Synoden das Sagen haben. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Dominanz der Männer unter den Bischöfen ihrem Ende zugeht. Noch ist es eine Ausnahme, dass Synoden zwei Frauen für die Wahl ins höchste Leitungsamt vorschlagen. Bald wird es so selbstverständlich sein, wie bislang zwei Männer zur Wahl standen.


K. Rüdiger Durth ist freier Autor und langjähriger Beobachter des politischen Geschehens.