BfS-Chef: "Wir brauchen einen Endlager-Konsens"

BfS-Chef: "Wir brauchen einen Endlager-Konsens"
Im Zuge des geplanten Atomausstiegs könnte die Endlagerfrage neu aufgerollt und bundesweit nach der besten Stätte gesucht werden. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur erklärt der für die Endlagerung radioaktiver Abfälle zuständige Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, warum man eine Lösung über Bundestagswahlen hinaus braucht und was für Bedenken es beim möglichen Standort Gorleben gibt. Man sollte nicht mit dem Kopf gegen die Wand rennen, rät Deutschlands oberster Strahlenschützer.
31.05.2011
Die Fragen stellte Georg Ismar

Herr König, die Ethikkommission hält es für geboten, jetzt einen Neustart in der Endlagerfrage zu wagen, auch die Regierung zeigt sich bereit hierzu. Wie könnte ein Neubeginn aussehen?

König: Wir müssen im Endlagerbereich einen Konsens herstellen. Denn das Thema ist eine Herausforderung, die nicht innerhalb von ein paar Jahren oder gar einer Legislaturperiode zu lösen ist. Wir brauchen einen langen Zeitraum an Planungssicherheit und wir müssen sicherstellen, dass wir die Sicherheit nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik bemessen. Man kann diese Aufgabe nicht lösen, wenn wir nach jedem Regierungswechsel wieder neu anfangen.

Die Endlager-Suche darf nicht vor Ländergrenzen Halt machen

 

Baden-Württemberg ist für eine neue bundesweite Suche. CSU-Chef Horst Seehofer zeigt sich neuerdings zwar offen für eine Suche in ganz Deutschland, trotzdem gibt es weiter Vorbehalte in Bayern. Wie soll es mit einer neuen Suche klappen?

König (Bild links, dpa): Wenn nicht alle Länder mit potenziell geeigneten geologischen Gegebenheiten mitmachen, ist es schwerlich möglich, eine ergebnisoffene Standortsuche zu realisieren. Die Lehre nicht zuletzt aus Gorleben ist, ohne einen Konsens, ohne Bürgerbeteiligung, ist kein Standort zu realisieren. Eine ergebnisoffene Suche bedeutet, dass man sich Wirtsgesteinen, die grundsätzlich infrage kommen - Salz, Ton und mit Abstrichen Granit - nicht mit Ländergrenzen nähert, sondern nach geo-wissenschaftlichen Gesichtspunkten.

Was ist das Problem bei der bisherigen Suche gewesen?

König: Gorleben ist 1977 ausgewählt worden. Damals hat man vorher keine Kriterien festgelegt, an denen man eine Eignung bemisst und sich allein auf Salzvorkommen konzentriert. Dadurch ist der Eindruck entstanden, dass es primär eine politische Entscheidung war. Man hat dann gesagt, man braucht zwei geologisch abdichtende Schichten und hat zunächst neben dem Salz eine Tonschicht über dem Salz vermutet. Als sich dann herausgestellt hat, dass die Tonschicht nicht durchgängig vorhanden ist, wurde nachträglich festgelegt, "eigentlich reicht auch das Salz als einzige Barriere aus".

Was könnten die k.o.-Kriterien in Gorleben sein?

König: Das Salz hat eine gute Eigenschaft, es kann die Abfälle schnell einschließen, aber das Salz muss dafür sehr homogen sein, das heißt ohne größere Störungen. Störungen sind im Salzstock Gorleben zum Beispiel Öl-, Gas- sowie Lösungsvorkommen. Aber auch der sogenannte Anhydrit, das ist eine potenziell wasserführende Gesteinsformation. Bisher ist nicht geklärt, ob er eine Verbindung zu grundwasserführenden Schichten herstellen kann. Das könnte ein k.o.-Kriterium darstellen. Derzeit gibt es keine abschließende Bewertung, ob Gorleben geeignet ist oder nicht. Selbst bei der Annahme, dass sich alle Beteiligten auf eine Weitererkundung von Gorleben verständigen würden, brauchte man noch etwa 15 Jahre bis zu einem Eignungsnachweis durch ein atomares Planfeststellungsverfahren.

Eine Langzeit-Zwischenlagerung ist ethisch nicht zu verantworten

 

Für einen neuen Standort bräuchte man da ja noch Jahrzehnte, oder?

König: Es gäbe sicher einen zeitlichen Mehrbedarf. Aber Gorleben sollte nach den ursprünglichen Plänen bereits vor über zehn Jahren in Betrieb gehen. Das bitterste wäre doch, wenn sich Gorleben am Ende geologisch als geeignet herausstellt, aber die Gerichte aufgrund eines fehlenden Auswahlverfahrens, einer fehlenden Transparenz, in 20 Jahren die Genehmigung kippen. Man kann dabei aber nicht mit dem Kopf gegen die Wand rennen. Das tut dann irgendwann schrecklich weh.

Warum ist es keine Lösung, den Müll erstmal weiter oberirdisch zu lagern, wie zuletzt wiederholt vorgeschlagen wurde?

König: Es ist ethisch nicht zu verantworten, jetzt zu sagen, ach das ist alles so kompliziert, lasst uns das langfristig in oberirdische Lager bringen. Mit einer Langzeit-Zwischenlagerung würde der Gesellschaft der Eindruck vermittelt, das Problem sei gelöst. Tatsächlich wird es aber nur auf zukünftige Generationen verschoben. Es ist zudem zu unsicher. Ein Blick in unsere Geschichte zeigt: Man kann die Sicherung von Hochrisikomaterial nicht über Generationen durch Betonmauern und Wachmannschaften garantieren.

dpa