Evangelischer Militärseelsorger: Der Mann für heikle Themen

Evangelischer Militärseelsorger: Der Mann für heikle Themen
Der evangelische Militärseelsorger Andreas Wittkopf betreut Soldaten in Afghanistan: in Uniform, ohne Waffe, aber mit großem Engagement. Porträt eines Geistlichen im Ausnahmezustand.
07.05.2011
Von Agnes Tandler

Wenn Andreas Wittkopf seine Predigt im Camp der Internationalen Schutztruppe in Kabul hält, kommen auch Atheisten und Andersgläubige. Die Arbeit des evangelischen Militärseelsorgers in Afghanistan genießt bei allen Respekt. Und der 47-Jährige ist auch gefragt, wenn es um heikle Themen geht, zum Beispiel um die Gefahr, mit der die Bundeswehrsoldaten tagtäglich konfrontiert sind.

"Am Anfang macht man sich seine Gedanken, aber das verliert sich, sonst kann man den Job nicht machen", sagt der Theologe. "Soldaten sagen, sie haben keine Angst vor dem Tod, sie haben Respekt." Das sei eine Redewendung bei der Bundeswehr. Aber Wittkopf glaubt, dass Respekt nur ein anderes Wort für dasselbe unbehagliche Gefühl ist.

Der Militärpfarrer ist Zivilist

Für den Pfarrer ist es der zweite Afghanistan-Einsatz. Er hat bereits schwierige Situationen meistern müssen, wie die Trauerfeier für gefallene Soldaten. Es sei ein großes Anliegen der Truppe, den Toten die letzte Ehre zu erweisen. "Wenn man nichts anderes mehr tun kann, dann ist es wichtig, den Abschied so würdig wie möglich zu gestalten." Das ganze Lager sei froh, wenn "jemand das strukturiert".

Nach der Nachricht vom Tod eines Kameraden erlebte der Pfarrer das ganze Lager wie gelähmt. Doch nach der Trauerfeier sei die Stimmung schlagartig anders gewesen. Man habe das Gefühl gehabt: "Jetzt geht es weiter."

Wittkopf trägt Uniform, aber keine Waffe. Denn der Militärpfarrer ist Zivilist. Allenfalls in seiner Jugend habe er mal mit dem Luftgewehr geschossen, "eine Rose auf der Kirmes, oder so", lacht der Theologe, der klassische Musik liebt, Konzertgitarre spielt und selbst komponiert.

Als Seelsorger niemandem unterstellt und in keine Hierarchie eingebunden, ist Wittkopf ein neutraler Ansprechpartner für die Soldaten. Die Probleme sind vielseitig: Krach mit dem Lebenspartner daheim, Langeweile, Lagerkoller oder die Frage nach dem Sinn des Einsatzes. Aber es geht auch um praktische Dinge, wie den Ärger über die langsame Internetverbindung und die Feldpost, die oft zu lange unterwegs ist. "Der Kontakt nach zu Hause ist allen hier sehr wichtig."

Vater von drei Kindern

Vieles kennt der verheiratete Vater von drei Kindern selbst. Nach dem letzten Einsatz habe er drei bis vier Monate gebraucht, um zu Hause wieder anzukommen, sagt er. Wittkopf ist seit sechs Jahren Seelsorger bei der Bundeswehr. Wenn er nicht im Auslandseinsatz ist, betreut er die Soldaten in seiner Heimatkaserne in Schwanewede bei Bremen.

Nach der Schule hatte er sich statt für die Bundeswehr für den Zivildienst entschieden. Auf der Pflegestation im Altenheim wurde er erstmals direkt mit dem Tod konfrontiert. "Da ist mir klargeworden, dass ich nicht allein damit klarkomme", sagt er. Wittkopf begann, Theologie zu studieren, "mit großem Elan". Zum Praktikum kam er in die Militärseelsorge nach Munster. Als ehemaliger Zivildienstleistender gab es in der Kaserne heftige Diskussionen. "Jeder hat jedem erklärt, warum der andere Dienst wichtiger ist."

Die Kritik am Bundeswehreinsatz, die es in Deutschland gibt, sei bei den Soldaten in Afghanistan kein Diskussionsthema, sagt Wittkopf. Doch es werde schon darüber nachgedacht, welchen Sinn die Arbeit der Bundeswehr am Hindukusch hat. Die Soldaten seien wenig informiert über die zivilen Aufbauprojekte Deutschlands in Afghanistan: "Das stört die." Immerhin hätten sich viele Dinge seit dem Ende der Taliban-Herrschaft in Afghanistan zum Guten verändert.

epd