Fatah und Hamas besiegeln historische Versöhnung

Fatah und Hamas besiegeln historische Versöhnung
Sie schossen aufeinander, sie hassten sich. Doch nun haben die beiden großen Palästinensergruppen Fatah und Hamas einander die Hand gereicht. Auch das eine Folge des "arabischen Völkerfrühlings".

Die über Jahre verfeindeten Palästinenserfraktionen Fatah und Hamas haben am Mittwoch ihre Versöhnung besiegelt. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, zugleich Chef der gemäßigten Fatah, und der Chef der Exil-Organisation der radikal-islamischen Hamas, Chalid Meschaal, bekräftigen mit einem Handschlag in Kairo den Versöhnungspakt. "Wir haben das schwarze Blatt der inneren Teilung für immer gewendet", erklärte Abbas auf einer Feier in einem Konferenzzentrum der Kairoer Vorstadt Nasr City. Ägypten hatte in der Vorwoche entscheidenden Anteil am Zustandekommen der Vereinbarung, die der Versöhnung zugrunde liegt.

Koalitionsregierung geplant

Das Abkommen beendet eine mehrjährige Periode bitterer Feindschaft zwischen Fatah und Hamas, die zeitweise sogar in blutige bewaffnete Auseinandersetzungen ausgeartet war. Es sieht die Bildung einer gemeinschaftlich nominierten Koalitionsregierung aus parteifernen Persönlichkeiten sowie Wahlen innerhalb eines Jahres vor. Die Vereinbarung soll den Weg zu einem unabhängigen Palästinenserstaat ebnen. Auch elf kleinere palästinensische Fraktionen schlossen sich dem Versöhnungspakt an.

Israel hatte sich vehement gegen die inner-palästinensische Aussöhnung ausgesprochen. Die Hamas muss nämlich nun nicht, wie bislang auch von der internationalen Diplomatie gefordert, Israel explizit anerkennen. Diese gegenüber der Hamas erhobene Forderung sei "nicht umsetzbar und ohne Sinn", sagte Abbas-Berater Nabil Schaath am Mittwoch vor der Feier in Kairo. "In der gegenwärtigen Formel hat sie keinen Platz mehr."

"Die Hamas ist Teil der palästinensischen politischen Bühne", erklärte Abbas bei der Feier. Seine Organisation sei bereit, "jeden Preis für die Versöhnung zu bezahlen", sagte Meschaal. "Unsere Schlacht schlagen wir mit Israel und nicht mit irgendeiner der (Palästinenser-)Fraktionen." Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu versuchte im letzten Moment, Abbas von der Zusammenarbeit mit der Hamas abzubringen. Der Palästinenserpräsident möge diese umgehend aufkündigen und "den Weg des Friedens mit Israel wählen", erklärte der Politiker am Dienstag nach einem Gespräch mit dem Nahost-Gesandten Tony Blair in Jerusalem.

Folge der arabischen Revolution

Letztlich ist die inner-palästinensische Versöhnung auf die Umstürze in der arabischen Welt zurückzuführen. Das Regime des am 11. Februar entmachteten ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak hatte wie ein Verbündeter Israels agiert und die Fatah gegenüber der radikaleren Hamas bevorzugt. Seine Vermittlungsbemühungen blieben deshalb erfolglos. Der seit dem Umsturz regierende Militärrat berücksichtigte die israel-kritische Stimmung in der Bevölkerung und richtete die Palästinenser-Politik neu aus. Kairo nimmt nun eine annähernd gleiche Distanz zu den beiden großen Palästinenserfraktionen ein.

Deren Rivalität war nach den von der Hamas gewonnenen Parlamentswahlen im Jahr 2006 in offene Feindseligkeit umgeschlagen. Im Gazastreifen lieferten sich die Milizen der beiden Organisationen blutige Gefechte, die erst endeten, als die Hamas 2007 die Abbas-Verwaltung und die Fatah aus dem Gazastreifen vertrieb. Israel hatte sich bereits 2005 aus dem palästinensischen Mittelmeergebiet zurückgezogen, blockiert aber bis heute die Zugänge.

Sicherheitsfragen ungelöst

Das Versöhnungsabkommen klammert die delikaten Sicherheitsfragen weitgehend aus. Im wesentlichen einigte man sich in diesem Bereich auf die Aufrechterhaltung des Status quo. Die Hamas kontrolliert weiter den Gazastreifen, die Miliz von Präsident Abbas jene Teile des Westjordanlandes, die nicht vom israelischen Militär kontrolliert werden. Beide Fraktionen vereinbarten überdies, die politischen Gefangenen der jeweils anderen Seite freizulassen.

Außenminister Guido Westerwelle sieht die Versöhnung zwischen Fatah und Hamas weiter mit betonter Zurückhaltung. Die Bundesregierung könne keine Organisation akzeptieren, die das Existenzrecht Israels infrage stelle, sagte er am Mittwoch mit Blick auf die radikal-islamische Hamas in Berlin. "Das ist für uns die rote Linie", fügte er nach hinzu. Unverzichtbar sei weiter ein Gewaltverzicht und die Anerkennung der zwischen Israel und der PLO geschlossenen Verträge. Westerwelle wollte am Mittwoch in Berlin mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zusammenkommen.

dpa