Neue Kathedrale: Fliegende Untertasse mitten in Paris

Neue Kathedrale: Fliegende Untertasse mitten in Paris
Von einem grünen Pflanzengarten umrankter Glasbau mit wellenförmigem Dach: Bald sollen neben dem Eiffelturm fünf goldene 27 Meter hohe Kuppeltürme mit einem orthodoxen Kreuz in den Pariser Himmel ragen.
21.04.2011
Von Martina Zimmermann

So sieht es der Entwurf des russisch-orthodoxen Zentrums vor, der den Zuschlag bekam für einen von einem grünen Pflanzengarten umrankten Glasbau mit wellenförmigem Dach. Der Bau zu Füssen des Eiffelturms soll Anfang 2012 beginnen.

Kathedrale und Kulturzentrum sollen dann über 4.000 Quadratmeter einnehmen am Quai Branly im 7. Pariser Arrondissement. Für den orthodoxen Bischof für Frankreich, die Schweiz, Portugal und Spanien, Nestor Sirotenko, ist es "ein schöner Kompromiss zwischen der orthodoxen Tradition und einer zeitgenössischen Architektur, die zum Herzen von Paris passt".

"Ränkespiel mit Kardinälen und Präsidenten"

Am Bau beteiligt sind der französische und der russische Staat, die Stadt Paris und die orthodoxe Kirche. Eine Jury von 15 russischen und französischen Persönlichkeiten hatte aus anfangs 444 Kandidaten und letztendlich zehn Entwürfen das gemeinsame Modell der Agenturen SADE in Paris und Arch Group in Moskau ausgewählt. Die Präsidenten Nicolas Sarkozy und Dmitri Medwedew sollen höchstpersönlich bei den Verhandlungen mitgespielt haben, laut Nachrichtenmagazin "Nouvel Observateur" ein Ränkespiel mit Kardinälen und Präsidenten.

Der frühere Sitz des Wetterdienstes "Meteo France" war im September 2009 vom Staat zum Kauf angeboten worden. Russland hatte vier Konkurrenten, darunter Saudi-Arabien. Dass Moskau letztendlich im Januar 2010 den höchsten Kaufpreis von rund 70 Millionen Euro bot und somit den Zuschlag bekam, soll von Sarkozy in die Wege geleitet worden sein, als Gegenleistung für Russlands Hilfe in Sachen Gas oder dem Umgang mit dem Iran. Die Kosten von geschätzten 35 Millionen Euro für den Bau werden von Russland und der orthodoxen Kirche getragen.

"Es ist, als ob die Welle die Flamme löscht"

Für die Architekten besteht die Herausforderung darin, im Herzen von Paris, ein paar Meter von Eiffelturm und Musée du quai Branly entfernt, eine Kirche zu bauen, die sich in die Pariser Landschaft integriert. Das Wellendach aus Glas ist innerhalb der orthodoxen Gemeinde umstritten. Manche sehen in dem Bau die Absicht, die Kreuze im Pariser Himmel weniger sichtbar zu machen. Andere befürchten gar, dass der Kontakt zu Gott durch die Architektur gestört werde. So kritisert der Kunsthistoriker Cyril Semenoff-Tian-Chansky, dass die Welle die Kuppeln schwäche, die das Gebet symbolisieren. Normalerweise richte sich das Gebet "wie eine Flamme" zum Himmel, sagt er. "Hier ist es, als ob die Welle die Flamme löscht."

Diese Kritik lässt der spanische Architekt Manuel Nunez-Yanowsky nicht gelten: Der Schleier aus Glas vereine das Spirituelle und die anderen Gebäude, Verwaltung, Residenz und Kulturzentrum. Es handele sich um einen schützenden, höchst modernen High-Tech-Schleier mit Sonnenenergie und der Möglichkeit für Projektionen und Wasserbestäubung zur Erfrischung im Sommer.

Nunez-Yanowsky hat bereits in Algier, Brazzaville, Hamburg, Sankt Petersburg, Sofia, Astana, Tiflis, in belgischen und spanischen Städten sowie in den Pariser Vororten gebaut. Der Architekt bezeichnet sich als "mystischen Atheisten". Der Pariser Tageszeitung "Le Figaro" sagte er, den Tempel einer anderen Kultur zu bauen, ob eine Synagoge, eine Moschee oder eine orthodoxe Kirche, sei wie "eine fliegende Untertasse mitten in Paris landen zu lassen".

epd