Premiere in Paris: Vatikan startet Dialog mit Atheisten

Premiere in Paris: Vatikan startet Dialog mit Atheisten
Im Land der strikten Trennung von Staat und Kirche startet jetzt eine neue Gesprächsinitiative der katholischen Kirche mit Atheisten. In Paris wird der "Vorhof der Völker" eröffnet.
24.03.2011
Von Rainer Clos

Ort und Motto sind mit Bedacht gewählt: In Paris knüpft der Vatikan unter der Überschrift "Vorhof der Heiden" einen neuen Gesprächsfaden mit den Nichtgläubigen. Im Hauptquartier der UNESCO, der Kulturorganisation der Vereinten Nationen, wird am Donnerstag die neue Dialog-Initiative der katholischen Weltkirche mit Atheisten eröffnet. Gesprächsrunden über "Religion, Licht der Vernunft" sind in der Sorbonne, im katholischen Collège des Bernardins und im renommierten Institut de France geplant. Mit einem Festakt auf dem Platz vor der Kathedrale Notre Dame wird am Freitagabend der Schritt auf das Neuland abgeschlossen.

Dialog auf Anregung von Papst Benedikt XVI.

Es gehe darum, die Trennmauern zwischen Gläubigen und Nicht-Gläubigen abzubauen, sagte Kardinal Gianfranco Ravasi über das zweitägige Event. Erzbischof Ravasi ist als Präsident des Päpstlichen Kulturrates die treibende Kraft hinter dem Vorhaben, das auf einen Anstoß von Papst Benedikt XVI. zurückgeht. Ein Ziel sieht er darin, die große Frage menschlicher Existenz, speziell die Glaubens- und Gottesfrage, wachzuhalten und offen zu erörtern: "Es gibt Nichtgläubige, die für das Thema des unbekannten Gottes eine Leidenschaft aufbringen, die auch uns aufrütteln sollte. Was wir mit dem 'Vorhof der Völker' planen, ist keine Evangelisierung, sondern eine Art gegenseitiger Verkündigung", sagte der Kurienkardinal bei der Vorstellung des Projektes.

Gläubige und Ungläubige hätten verschiedene Ausgangspunkte, dennoch müssten sie sich nicht abschotten in "sakraler oder säkularer Isolation", skizzierte Ravasi die Aufgabe. Differenzen müssten ausgetragen, gegensätzliche Positionen dürften nicht verschleiert werden. Gläubige und Atheisten sollten miteinander reden, statt sich zu ignorieren oder wechselseitig anzugiften, wie dies Fundamentalisten in beiden Lagern täten, empfahl der Kardinal.

Paris: Sinnbild der Laizität

Über das große Interesse an der Dialogveranstaltung ist Ravasi überrascht. Zumal die Veranstaltung in der französischen Hauptstadt stattfindet, die ein Sinnbild der Laizität, der strikten Trennung von Staat und Kirche, ist. Ein Drittel der Franzosen sagten bei einer EU-weiten Erhebung vor einigen Jahren, dass sie nicht an einen Gott glauben. Damit weist Frankreich den höchsten Anteil an Religionslosen im europäischen Vergleich auf. Ein weiteres Drittel glaubt, dass es einen Gott gibt. Jeder vierte befragte Franzose bekannte, dass es für ihn eine überirdische Macht gibt.

Die Begegnung in Paris sei nicht als "neutraler Kongress" angelegt, sagt Ravasi weiter. Es werde auch leidenschaftliche Zeugnisse geben. In Anlehnung an den Bereich des antiken Jerusalemer Tempels, der für Nichtjuden vorgesehen war, trägt die Vatikan-Initiative den Namen "Vorhof der Völker", auch als "Vorhof der Heiden" bekannt. Das Programm ist ambitioniert. Die Gesprächspartner, die der Vatikan eingeladen hat, sind zumeist Diplomaten, Kulturschaffende und Angehörige der renommierten französischen Akademien. Auch Politiker befinden sich darunter, wie etwa der frühere italienische Regierungschef Guiliano Amato.

Tirana und Chicago gelten als mögliche Orte für eine Fortsetzung

Nach der Premiere soll es weitere Gesprächsrunden geben. Die albanische Hauptstadt Tirana aber auch Chicago werden als mögliche Orte für eine Fortsetzung genannt. Ravasi hält ein Treffen mit Atheisten auch in Stockholm für denkbar, dann aber unter Beteiligung lutherischer Theologen und Christen.

Ob es künftig auch zum Gespräch mit den Wortführern des "neuen Atheismus" kommen wird, ist noch offen. Vor allem aus der angelsächsischen Welt verkünden Richard Dawkins, Sam Harris und Christopher Hitchens seit einigen Jahren mit großem öffentlichen Echo, dass religiöse Überzeugungen nicht nur unvernünftig, sondern auch gewaltfördernd und gefährlich seien. "Diese Formen des Atheismus werden wir auch einmal treffen müssen, auch wenn sie hin und wieder fast auf fundamentalistische Weise auftreten", stellt Kurienkardinal Ravasi in Aussicht.

epd