Medien und Mullahs: Eine unheimliche Allianz in Pakistan

Medien und Mullahs: Eine unheimliche Allianz in Pakistan
Es ist Sendezeit für Fanatiker in Pakistan: Strenge Prediger und machthungrige Geistliche hetzen gegen Menschen mit liberalen Auffassungen wegen angeblicher Gotteslästerung. So radikalisiert eine unheimliche Allianz zwischen Medien und Mullahs die pakistanische Nation.
08.03.2011
Von Agnes Tandler

Über Wochen war sie wegen angeblich amoralischen Verhaltens durch die TV-Sendungen gehetzt worden. Veena Malik, die 32-jährige pakistanische Schauspielerin, wurde in Kurzspots gezeigt und bei einem Kuss mit einem indischen Kollegen. In Talk-Shows verdammten daraufhin islamische Geistliche ihr Verhalten als eine Schande für die Religion und die Nation. Doch sie ließ sich nicht einschüchtern.

"Mufti, Sir, was sagt Ihr Islam?", fragte Malik den Prediger und TV-Showmaster Maulana Abdul Qavi mitten in seiner Sendung, nachdem dieser zugeben musste, dass er weder Fotos noch Filmclips von der Schauspielerin gesehen hatte. "Sie erlassen einen Bannspruch gegen mich nur vom Hörensagen?" fragte sie scharf nach. "Ich bin Muslimin und ich kenne meine Grenzen." Der erschrockene Religionslehrer rang sichtlich um Fassung. Mit so viel Gegenwind hatte er nicht gerechnet.

Machthungrige Geistliche zur besten Sendezeit

Doch der mutige Auftritt der Schauspielerin ist eine Ausnahme. Pakistans TV-Sender buhlen schon seit langen um die Zuschauergunst, indem sie strengen Predigern und anderen machthungrigen Geistlichen beste Sendezeiten einräumen. Doch die Anstalten machen sich nicht nur zum Komplizen der Extremisten, wenn es darum geht, den moralischen Tugendwächter zu spielen - mit ihren Programmen schüren sie die Intoleranz nach Kräften.

Als Anfang Januar der liberale Gouverneur Salman Taseer von seinem eigenen Bodyguard wegen seiner politischen Meinung erschossen wurde, hatten zuvor bereits die Medien eine beispiellose Hetzjagd gegen den Politiker gestartet. Ein Zeitungskommentator beschuldigte Taseer der Blasphemie, weil er die wegen angeblicher Gotteslästerung zum Tode verurteilte Christin Asia Bibi im Gefängnis gesucht hatte. Sie soll abfällige Bemerkungen über den Propheten Mohammed gemacht haben.

Moderatorin Meher Bokhari lud in ihre Show bei Samaa TV einen Diskussionsteilnehmer ein, der offen erklärte, dass die Ermordung Taseers absolut gerechtfertigt sei. Ein Interview, das Bokhari mit Taseer führte, kam einer Verurteilung gleich. "Glauben Sie nicht, dass Ihr Verhalten Hass zwischen den Religionen schürt?" fragte sie suggestiv.

Fernsehsender zeigen triumphierenden Mörder

Und nachdem Geistliche Taseer wegen seines Einsatzes für die Christin zum Nicht-Muslim erklärt hatten, erklärte die Moderatorin süffisant: "Unserer Verfassung zufolge darf aber ein Ungläubiger kein hohes politisches Amt bekleiden." Einige mutige Pakistaner schimpften auch auf die Medien: "Auch Bokhari hat Blut an ihren Händen", erklärten sie.

Die pakistanischen Fernsehsender zeigten nach der Tat noch tagelang den triumphierend grinsenden Mörder, wie er vor laufenden Kameras sein Verbrechen rechtfertigte, bis die Medien-Aufsichtsbehörde schließlich eine Geldstrafe gegen zwei TV-Anstalten verhängte. Nachrichtensprecher unterstellten, dass der Politiker seinen Tod selbst mitzuverantworten habe, weil er Pakistans harsches Blasphemie-Gesetz kritisiert hat. Das Gesetz sieht die Todesstrafe für Gotteslästerung vor.

Der Vormarsch der Bärtigen im pakistanischen Fernsehen ist seit einigen Jahren zu beobachten. Inzwischen geben radikale Kleriker den Ton soweit vor, dass selbst liberale Stimmen im Klima der Angst verstummen. Als in der vergangenen Woche der Minister für religiöse Minderheiten, der Christ Shahbaz Bhatti, erschossen wurde, weil auch er sich gegen das Blasphemie-Gesetz gewandt hatte, verdammten Politiker aller Parteien den Mord. Doch jeder hütete sich davor, das Gesetz auch nur mit einem Wort zu erwähnen.

epd