Der Balanceakt zwischen Familie und Beruf

Der Balanceakt zwischen Familie und Beruf
Noch immer gibt es in den westlichen Arbeitsgesellschaften kein tragfähiges Modell für die Verbindung von Berufstätigkeit und Mutterrolle. In Deutschland werden Frauen mal als Rabenmütter beschimpft, mal als Gebärmaschinen - meist von Männern, die es besonders gut wissen müssen. Wie lassen sich Familie und berufliche Entfaltung unter einen Hut bringen, wie gestaltet sich Mütterlichkeit im Spannungsfeld von Mann, Kind und Job, und schließlich: Wer schützt die Frauen davor, unter dem Diktat von Frauenquoten zu Quotenfrauen zu werden? Das sind drängende Fragen, nicht nur am Internationalen Frauentag.
08.03.2011
Von Bernd Buchner

Manchen Frauenpolitikern, Frauen wie Männern, die sich mit mehr oder weniger klugen Kommentaren zur Thematik hervortun, wäre ein Besuch der Ausstellung "Beyond Re/Production: MOTHERING" zu empfehlen, die gerade im Bethanien-Kulturzentrum in Berlin-Kreuzberg zu sehen ist. 19 Künstlerinnen und Gruppen aus zehn Ländern sind an der Schau beteiligt, die die soziale Figur der Mutter sowie das Bild von Mütterlichkeit vor dem Hintergrund der postindustriellen westlichen Gesellschaften thematisieren.

Die Schau ist mit Fotos, Videos und Rauminstallationen multimedial aufgestellt. Das Schicksal von Arbeitsmigrantinnen wird von mehreren Beiträgerinnen aufgegriffen. In einer Filmsequenz spricht etwa eine Frau aus El Salvador, die aus den USA nach Hause kommt – ihre Mutter ist inzwischen gestorben, die Kinder weggegeben. Ein Projekt von Moira Zoitl kontrastiert Bilder vom Exchange Square mitten im Shopping- und Finanzdistrikt in Hongkong mit der Tätigkeit von einsamen, in Wohnungen eingesperrten Haushaltshilfen.

Kapitalistischer Egotrip, fürsorgliche Mütterlichkeit

Der Ansatz der Ausstellung ist durchaus feministisch. Die Logik eigennützigen Profitstrebens, von der der Kapitalismus westlicher Prägung durchsetzt ist, steht der mütterlichen Logik uneigennütziger Fürsorge entgegen. Doch das Thema wird nicht in schwarz und weiß gemalt: Der Zusammenhang der Berufstätigkeit von Müttern und der Verbreitung schlecht bezahlter Haus- und Pflegearbeit, die Arbeitsmigration zur Folge hat, wird keineswegs verschwiegen. Im Gegenteil, die prekären Bedingungen dieser Tätigkeiten werden bewusst offensiv aufgegriffen.

Den Begriff "Mothering" prägte übrigens die US-amerikanische Philosophin Sara Ruddick - deutsche Worte wie "Mütterlichkeit" gelten nach Ansicht der Ausstellungsmacher noch immer als ideologisch belastet. Die Schau wird durch ein umfangreiches Begleitprogramm ergänzt. Die Besucherinnen und Besucher können sich in Filmen oder Vorträgen weitergehend mit den kulturellen, politischen und fachspezifischen Aspekten der Thematik beschäftigen.

"Zeit, den Statuswechsel nach außen zu markieren"

Auch eine ironische Note fehlt der Schau im ehemaligen Bethanien-Krankenhaus nicht. Bei Elzbieta Jablonskas überdimensioniertem Foto "Supermatka" lässt sich ebenso schmunzeln wie bei Lenka Klodovas Bilderserie "Life with a handycap": Wir sehen eine Nixe, eine Schwimmflosse als Unterleib, beim Einkauf, in der heimischen Küche oder am Strand. Für nachdenkliche Heiterkeit sorgen auch die kleinen Bildern, Collagen und Fotos der deutschen Künstlerin Christine Lohr. Mit wenigen Strichen zeichnet sie ein schickes Sofa aufs Papier und schreibt dazu: "Es wird Zeit, den Statuswechsel nach außen zu markieren".

Die Ausstellung "Beyond Re/Production: MOTHERING" im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien ist bis 25. April täglich von 12 bis 19 Uhr zu sehen, der Eintritt ist frei.


Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de und zuständig für Themen rund um Religion und Kirche.