"Jasmin-Revolution" jetzt auch in China

"Jasmin-Revolution" jetzt auch in China
Der Funke der Demonstrationen im arabischen Raum ist nach China übergesprungen. Nach einem Internetaufruf kam es zu Protestaktionen mit mehreren hundert Menschen in verschiedenen Städten. Das kommunistische Regime reagierte sofort mit massiver Polizeipräsenz und scharfer Zensur.
20.02.2011
Von Andreas Landwehr

Ein Großaufgebot der Polizei löste Menschenansammlungen in Peking und Shanghai innerhalb von nur einer Stunde auf. Dabei sei es zu Festnahmen gekommen, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Das in Hongkong ansässige Informationszentrum für Menschenrechte und Demokratie in China berichtete, mehr als 100 chinesische Aktivisten seien unter Hausarrest gestellt oder in Polizeigewahrsam genommen worden.

Die Demonstranten folgten einem Aufruf zu einer "Jasmin- Revolution" wie in Tunesien und zu Demonstrationen in 13 Städten. Er erschien am Donnerstag auf einer im Ausland ansässigen chinakritischen Webseite, die in China geblockt ist, und verbreitete sich schnell über das Internet. Der Appell wurde von Forderungen nach einem Ende der Ein-Parteien-Herrschaft, Freiheit, Gerechtigkeit, politischen Reformen und besseren Lebensbedingungen begleitet.

Hu Jintao: "unharmonische Faktoren reduzieren"

Das für den Sicherheitsapparat zuständige Politbüromitglied Zhou Yongkang unterstrich am Sonntag die Notwendigkeit, "Konflikte und Probleme rechtzeitig" zu erkennen. Auf die Protestaktionen ging er nicht direkt ein. Wie am Vortag schon Staats- und Parteichef Hu Jintao sprach Zhou Yongkang in Peking auf einer Studiensitzung für Funktionäre aus Ministerien und Provinzen über "neue Veränderungen und Besonderheiten in der heimischen und internationalen Lage".

Das Seminar in der Parteischule fand vor dem Hintergrund des Umsturzes in Ägypten und der Unruhen im arabischen Raum statt. In seiner Rede am Samstag forderte Präsident Hu Jintao, "hervorstechende Probleme zu lösen, die der Harmonie und Stabilität der Gesellschaft schaden könnten". Er rief die Spitzenfunktionäre ferner dazu auf, "unharmonische Faktoren auf ein Minimum zu reduzieren".

Schon frühzeitig hatten Polizei und Staatssicherheit von dem Protestaufruf Wind bekommen. Seit Donnerstag wurden mehrere Bürgerrechtler abgeholt und verhört. In seiner letzten Äußerung im Kurznachrichtendienst Twitter scherzte der Menschenrechtsanwalt Teng Biao am Samstag, bei den Verhören werde wohl kein Jasmin-Tee serviert werden. "Zum Tee gebeten werden" ist für Dissidenten ein Synonym für eine Einbestellung durch die Staatssicherheit.

Zensur blockte das Wort "Jasmin" im Internet

Schon vor den Protestaktionen zogen in mehreren Städten starke Polizeikräfte in Uniform und Zivil an den geplanten Orten auf. Wie viele Menschen dem Aufruf überhaupt gefolgt waren, blieb offen. In der stark frequentierten Haupteinkaufsstraße Wangfujing im Herzen Pekings versammelten sich einige hundert Menschen vor einem Fast-Food-Restaurant. Die Polizei habe die Ansammlung nach einer Stunde aufgelöst, berichtete die Staatsagentur Xinhua.

Ähnlich ging die Polizei in Shanghai auf dem Volksplatz gegen eine Menschenmenge vor. Drei Teilnehmer seien abgeführt worden. Ein Mann habe angefangen, eine Rede an die Demonstranten zu richten, sei aber wieder verschwunden, als die Polizei gekommen sei, berichtete Xinhua. Die chinesische Zensur blockte das Suchwort "Jasmin" in chinesischen Online-Diensten. Auch wurden SMS-Kurznachrichten zensiert.

Die regimekritische Webseite Boxun, die den Aufruf verbreitet hatte, wurde von Hackern attackiert und lahmgelegt. Am Sonntag lief die Webseite behelfsmäßig wieder und verbreitete Augenzeugenberichte aus mehreren Städten Chinas. Wie Twitter, Facebook oder YouTube ist die Webseite in China zwar blockiert, doch benutzen heute neben Bürgerrechtlern auch immer mehr einfache Chinesen Proxys oder Tunnel, um die Blockaden im Internet zu umgehen. China hat mit 450 Millionen Nutzern die größte Internetgemeinde der Welt. 

dpa