Es ist wohl naheliegend, dass ein 80-jähriger Regisseur sich auch filmisch mit dem Tod und der Möglichkeit eines Danach auseinandersetzt - selbst wenn dieser 80-Jährige Clint Eastwood ist, dem man bisher kaum eine Schwäche für Hellseherei und Spiritismus nachsagen konnte. Mit "Hereafter" hat er sich nun tatsächlich dem Jenseits gewidmet. Sein Versuch allerdings, bei diesem künstlerisch riskanten Thema die schwierige Balance zwischen Möglichkeit und Behauptung zu halten, ist nicht ganz geglückt.
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Was er aber nicht verlernt hat, ist seine erzählerische Ruhe und stilistische Zurückhaltung. Und so konzentrieren er und sein Drehbuchautor Peter Morgan sich zunächst ganz diesseitig auf drei sehr verschiedene Menschen und ihre Schicksale, die sie parallel schildern, aber über die meisten der 129 Minuten nicht verknüpfen.
Da ist die französische Journalistin Marie (Cécile de France), die in Indonesien den Tsunami von 2004 nur knapp überlebt - die packende Anfangssequenz des Films. Marie wird von der Flutwelle mitgerissen und schwebt minutenlang zwischen Leben und Tod, wobei sie Visionen hat, die sie auch später nicht mehr loslassen.
Dann ist da der Amerikaner George (Matt Damon), der unter seiner medialen Begabung leidet und sie als Fluch empfindet. Und schließlich gibt es noch den Schuljungen Marcus, der seinen über alles geliebten Zwillingsbruder Jason verliert. Verzweifelt sucht er einen Weg, mit dem Verlust umzugehen, und gerät dabei an allerlei Scharlatane.
Aus jeder einzelnen dieser drei Geschichten hätte durchaus ein eigenständiger Film werden können - vielleicht wären es drei viel stärkere Filme geworden. Denn in jeder Teilhandlung stecken spannende Fragen; jede lässt zunächst mehr oder weniger offen, ob das Jenseits jeweils nur ein Abbild der Lebenden ist oder eine eigenständige Realität.
Auch die Nahtod-Visionen von Marie könnten ebenso gut Gespinste des menschlichen Gehirns vor dem Ende sein. So fallen die wenigen bildlichen Eindrücke von der anderen Seite nicht sonderlich spektakulär aus. Sie zeigen lediglich altbekannte Motive: ein Tunnel mit hellem Licht, Schattenbilder, die sich nähern, etc.
Absurde Antworten auf kluge Fragen
Über weite Strecken wirkt "Hereafter", als würde er sich jede große esoterische Geste verkneifen, um nicht allzu angreifbar zu sein und nicht in den puren "Mystery"-Bereich zu geraten. Doch dann scheint die Kontrolle über die eine und andere Argumentationskette zu entgleiten, so dass das eindeutig Übernatürliche einspringen muss. Absurde Antworten auf kluge Fragen bleiben uns da leider nicht erspart.
Eine besonders undankbare Rolle fällt Marthe Keller zu, die als Leiterin eines Hospizes der ratsuchenden Marie erklärt, dass Nahtod-Erlebnisse eindeutige und von der Wissenschaft nur unterdrückte Beweise für die Existenz des Jenseits seien, und zwar "absolut zweifelsfrei". Aha! Marie schreibt also einen Bestseller mit dem Titel "Hereafter", der auf angeblich bahnbrechende Weise mit dem Tabu des Übersinnlichen bricht. Mit anderen Worten: eines von jährlich Tausenden Büchern, die ähnliche esoterische "Aufklärung" betreiben.
Völlig ohne Zusammenhang und letztlich geschmacklos werden auch noch die Londoner Terroranschläge von 2005 verbraten, die der kleine Marcus knapp überlebt. Und wenn sich die Wege der drei Sinnsucher dann wundersam kreuzen, sind daran indirekt auch Charles Dickens und der - zum Glück lebende! - große Schauspieler Derek Jacobi schuld.
Auch ein paar ironische Dialoge retten da leider nicht mehr viel: "Hereafter" zwingt seine drei Handlungen krampfhaft zusammen, schleift sie durch höheren Blödsinn und steht am Ende knietief im Esoterikkitsch. Das Jenseits und die Toten erfüllen dabei nur die sehr irdische Funktion, den Lebenden die Angst zu nehmen und beim Leben zu helfen. Ein wirklich kluger Film müsste das hinterfragen, statt unsere Sentimentalität zu füttern.
USA 2010. Regie: Clint Eastwood. Buch: Peter Morgan. Mit: Cécile de France, Thierry Neuvic, Cyndi Mayo Davis, Matt Damon, Charlie Holliday, Bryce Dallas Howard. Länge: 128 Min. FSK: ab 12, ff