"Nicht sorgen, aber kümmern" - Europa wirbt für Ehrenamt

"Nicht sorgen, aber kümmern" - Europa wirbt für Ehrenamt
Mit ihrer Jahreskampagne 2011 würdigt die Europäische Union das Engagement der Bürger und rührt die Werbetrommel für ehrenamtliche Tätigkeiten. Zahlreiche Aktionen sind vorgesehen.
07.01.2011
Von Dirk Baas

Klaus Groß-Weege weiß, dass soziale Arbeit mit Jugendlichen nie ein Selbstläufer ist. Sie wollten täglich neu begeistert werden und bräuchten viel Unterstützung erfahrener Betreuer, sagt der hauptamtliche Bundessekretär der DLRG-Jugend. Junge Erwachsene im Ehrenamt bei der Stange zu halten, gestaltet sich nach seinen Erfahrungen zunehmend schwierig. Die Verbände müssten sich "zwar nicht sorgen, aber kümmern".

Eröffnung im Februar

Heute stehe der DLRG-Nachwuchs bis zum Alter von 27 Jahren mehr unter Druck als früher, vor allem, weil mehr berufliche Mobilität erwartet werde. Zudem erschwerten verdichtete Bachelor- und Master-Studium oft den ehrenamtlichen Einsatz: "Junge Menschen müssen sich tummeln, wenn sie im Job was werden wollen." Wie man gegensteuern und Nachwuchs sichern kann, ist deshalb eine wichtige Frage, auf die im "EU-Jahr 2011 der Freiwilligentätigkeit" eine Antwort gefunden werden soll. Der deutsche Beitrag zur Kampagne wird am 21. Februar in Berlin offiziell eröffnet.

Groß-Weege hat weit mehr als sonst um die Ohren: Eine Großveranstaltung, für die der DLRG-Funktionär mitverantwortlich ist, wirft ihre Schatten voraus. Vom 30. Juli bis zum 6. August werden rund 700 Jugendliche in Nordhessen erwartet - eingeladen von den Jugendverbänden von DRK, Feuerwehr, DLRG, Arbeiter-Samariter-Bund, Malteserhilfsdienst und Technischem Hilfswerk. In Immenhausen im Landkreis Kassel errichten sie auf dem Gelände des Pfadfinder-Bundeszentrums am Rande des Reinhardswaldes ein sogenanntes "Heldencamp".

Dort wollen die Organisatoren herausfinden, wie Multiplikatoren für den Nachwuchs im Bevölkerungsschutz gewonnen werden können. Das Camp ist eine von acht unterschiedlichen Veranstaltungen, die es ins offizielle Programm des Bundesfamilienministeriums zum EU-Jahr 2011 geschafft haben. So geht es zum Beispiel in Hamburg darum, den Beitrag der älteren Bürger im Ehrenamt herauszustellen. Weitere Fachkonferenzen drehen sich etwa ums Bürgerengagement im Umweltschutz oder den ehrenamtlichen Einsatz von Migranten im Sport.

Jeder dritte Bürger ist aktiv

Möglichst viel Ertrag versprechen sich die Camp-Veranstalter von der Zusammensetzung der Teilnehmer. Sie sind je zur Hälfte Mitglieder der Verbände und Außenstehende. Groß-Weege: "Wir suchen den direkten Dialog und wollen sehen, wo wir stehen, was an unserer Arbeit gefällt und was nicht." Dass im Stammland der Vereine und Verbände dem Ehrenamt mehr Aufmerksamkeit zuteil werden soll, überrascht zunächst. Denn laut Freiwilligensurvey vom November 2010 ist hierzulande bereits jeder dritte Bürger in einem Ehrenamt aktiv. Aber: Die Zahl der jugendlichen Ehrenamtler nahm von 37 auf 35 Prozent ab. Und: "Die intensivere Einbeziehung von Frauen in die Zivilgesellschaft ist in den letzten Jahren nicht vorangekommen", urteilt das Bundesfamilienministerium.

Gleichwohl bestehe kein Grund zur Sorge, betont Sabine Wolf, die das Koordinierungsbüro für das EU-Jahr leitet. Viele Nachbarländer beneideten Deutschland um seine Infrastruktur in Sachen Ehrenamt: "Auch bei der Engagementförderung sind wir gut dabei." Dennoch gebe es stets Verbesserungsbedarf, etwa beim ehrenamtlichen Einsatz von Bürgern ausländischer Herkunft oder bei den generationenübergreifenden Aktivitäten.

"Wir dürfen im Aktionsjahr nicht nur bunte Bilder von fröhlichen Helfern zeigen", fordert Mirko Schwärzel vom Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement. Das EU-Jahr müsse genutzt werden, um hiesige Problembereiche aufzuzeigen. Er nennt exemplarisch Konflikte, die entstünden, wenn das Ehrenamt reguläre Arbeit verdränge. Auch sei strittig, wie Vereine, Verbände und Kirchen auf den Rückzug des Staates aus der sozialen Arbeit reagieren sollen. Schwärzel hofft zudem, dass die Kontakte in die anderen EU-Länder verstärkt werden, denn beim grenzüberschreitenden Austausch gebe es Nachholbedarf: "Wir können viel mitnehmen. Auch, wie wir Bürgerengagement in Deutschland nicht wollen."

epd